Isar-Indianer im Lindenkeller:Heiliger Tabak in heiliger Pfeife

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Seit 40 Jahren in Wildledermontur: Willy Michl schritt bei seinem Auftritt im Lindenkeller zunächst bedächtig daher, bewies aber später echte Entertainer-Qualitäten. Komplizierte Gitarren-Soli meisterte er beeindruckend.

Von Philipp Potthast, Freising

Ein kleines bisschen skurril mutet es schon an, wenn der selbsternannte Isar-Indianer Willy Michl in voller Wildleder-Montur und mit Feder-Schmuck auf dem Kopf zur Filmmusik von "Der mit dem Wolf tanzt" bedächtig durch die Reihen des Publikums schreitet, bevor er auf die Bühne hinaufsteigt.

Rund fünfzig Zuschauer sind an diesem Mittwochabend in den Freisinger Lindenkeller gekommen, um dem Konzert des 65-Jährigen beizuwohnen, der in den Siebzigerjahren mit seinem Song "Isarflimmern" als eine Art bayerischer Winnetou bekannt wurde.

Auch knapp vierzig Jahre später ist das bayerische Original, das zusammen mit Musikern wie Wolfgang Ambros und der Spider Murphy Gang zu den Begründern des Genres "Alpenrock" gehörte, noch immer "on the road". Doch auch wenn inzwischen viele Sommer und Winter ins Land gezogen sind und das lange, schwarze Haar recht schütter geworden ist, fordert Willy Michl noch immer "love and respect for the earthmother" - an Dringlichkeit hat dieser Appell natürlich bis heute nichts eingebüßt.

Zu Beginn seines Konzerts in Freising stellt Michl erst einmal klar: "Ich bin kein Apache, ich bin kein Comanche, ich bin ein Isar-Indianer, aber verbunden mit allen Ureinwohnern dieser Welt." Im Anschluss nimmt er sich die Zeit, seine Gitarre ausgiebig zu stimmen - bloß keine Hektik. "Ich bedanke mich für eure Geduld!" teilt er dem Publikum mit, auch in Bezug auf die Verschiebung des Konzerts, das ursprünglich im Februar angesetzt war. Michl konnte den Termin damals wegen einer Krankheit nicht wahrnehmen.

Routiniert und lässig spielt der Isar-Indianer im Folgenden alte und neue Nummern, singt mal rockig, mal kehlig-sphärisch mit kraftvoller Stimme Lieder über das Heilige in der Natur, den großen Geist Wakan Tanka, die Freuden des Kanufahrens und die Schönheit eines Sonnenuntergangs auf dem Schwabinger Boulevard.

Dazwischen beeindruckt er mit anspruchsvollen Soli auf seiner Gitarre und wiederholt mantraartig Sätze wie: "Wir tun den heiligen Tabak in die heilige Pfeife." Obwohl diese geballte Ladung schamanischer Spiritualität auf den ersten Blick ein wenig aus der Zeit gefallen wirkt, schafft es Michl immer wieder, die Brücke ins 21. Jahrhundert zu schlagen.

Sein bereits 1979 veröffentlichtes Lied über Kathmandu ("Traumstadt meiner Jugend") leitet er mit der Aufforderung ein, den nepalesischen Erdbebenopfern materiell und auch spirituell beizustehen: "Es geht nicht nur um das Geld, sondern auch um die Liebe."

Als im Publikum plötzlich ein Handy klingelt, zückt Michl prompt sein eigenes Gerät und stellt noch einmal sicher, dass dieses wirklich ausgeschaltet ist. Und als die Zuhörer euphorisch auf das durch zahlreiche Coverversionen zum Bierzelt-Hit avancierte "Bobfahrerlied" reagieren, beweist der Isar-Indianer echte Entertainer-Qualitäten, indem er das Publikum sich nach links, rechts, vorne und hinten neigen und schließlich zum finalen Sprung in die Höhe schnellen lässt. Dass einige Zuhörer nur wegen der alten Hits kommen und manche neueren Lieder gar nicht kennen, stört Willy Michl nicht.

"Was soll daran schlimm sein? Wenn die Leute das hören wollen, spiele ich das gerne", sagt der Isar-Indianer. Ohnehin habe er das Gefühl, dass die Spiritualität seiner Musik auch jüngere Generationen noch erreichen könne. "Die jungen Menschen, zu denen ich mich selbst im Grunde auch noch zähle, sind klug und haben Zugang zu einem gewaltigen Wissen. Aber die Wahrheit steht nicht nur im Internet, sondern ist im Leben zu finden", stellt Michl fest.

© SZ vom 02.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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