Kommentar:Wirklich mutig ist sie nicht

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Noch ist es  nicht zu spät  für eine  echte Fußgängerzone in der Freisiner Innenstadt

Von Kerstin Vogel

Menschen mit Behinderung, Senioren, die zu einem Arzt in der Innenstadt müssen, Geschäftsinhaber, die auf Lieferanten angewiesen sind: Sie alle haben ein berechtigtes Interesse an einer mit Autos oder Lastwagen erreichbaren City. Trotzdem muss die Fußgängerzone in Freising kommen, weil auch die anderen Recht haben, diejenigen nämlich, die ihre Stadt als Lebensraum begreifen, die sich dort aufhalten wollen, ohne sich vor heran rauschenden Bussen in Sicherheit bringen zu müssen, in Abgaswolken halb zu ersticken oder ihr Gegenüber nicht mehr zu verstehen, weil wieder eine jener präpotenten Gestalten im aufgemotzten Auto vorbeiröhrt, wummernde Bässe aus der für Diskothekenbetrieb ausgelegten High Tech-Musikanlage inbegriffen.

Tatsächlich hätte die Innenstadt schon vor Jahren autofrei gemacht werden müssen, weil man viele der Probleme, die sich jetzt auftun, dann gar nicht hätte. In einer Innenstadt ohne Autos müssten die Menschen nicht erst lernen, mit der neuen "Begegnungszone" in den bereits umgebauten Bereichen klar zu kommen. Sie wären bereits daran gewöhnt, bestimmte Wege zu Fuß zurückzulegen, ihre Autos einfach in den Parkhäusern stehen zu lassen und Abkürzungen auf dem Weg von A nach B nicht durch die Hauptstraße zu suchen.

Die Chance, ihre Altstadt beizeiten zu einem modernen, umweltfreundlichen und lebenswerten Raum zu entwickeln, haben die Freisinger zuletzt 2001 beim Bürgerentscheid verspielt. Ob der neue Anlauf, in ein paar Jahren zumindest den Bereich rund um den Marienplatz für den Durchgangsverkehr zu sperren, ausreichend ist, wird sich zeigen müssen. Zweifel sind erlaubt, vor allem, weil die Busse - auch wenn es dann die kleinen sind - weiter durchfahren dürfen und die Versuchung, doch mal eben von der einen oder anderen Seite her direkt vor das Geschäft in der Innenstadt zu fahren, groß bleiben wird. Man darf ja sogar kurz halten davor. Wirklich mutig und eine politisch richtige Entscheidung wäre es gewesen, endlich eine echte Fußgängerzone entlang der gesamten Hauptstraße zu beschließen, mit festen Lieferzeiten für die Geschäfte und mit einer kleinen, elektrisch betriebenen Bahn für alle nicht so mobilen Menschen, die etwa zwischen Johannisstraße und Paudiß-Platz verkehrt, in die man an fünf oder sechs Haltepunkten einsteigen kann und die - Innovation, große - kostenfrei wäre. Aber dafür muss es ja noch nicht zu spät sein.

© SZ vom 06.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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