Kommentar:Wegjammern geht nicht

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Um Azubis für sich gewinnen zu können, sind neue Wege notwendig

Von Alexandra Vettori

Die Klagen der Handwerker, der Bäcker und Metzger erheben sich jeden Herbst aufs Neue, dann, wenn wieder viele Lehrstellen nicht besetzt sind. Keiner will den Job des billigen, aber bitte willigen Arbeiters, was ist nur los mit dieser Jugend? Zu fein ist sie sich, zu faul, studiert lieber und workt und travelt in der Weltgeschichte herum, so ist zu hören.

Doch die Wahrheit ist viel ernster. Die Jugend nämlich ist schlicht und ergreifend nicht mehr im benötigten Umfang da. Grundlegendes Übel des Lehrlingsmangels ist und bleibt der demografische Wandel. Und den kann man nicht wegjammern. Die Betriebe müssen das Problem also angehen, und mit immer neuer Kritik an "der Jugend" tun sie sich sicher keinen Gefallen. Eine Gesellschaft, die Selbstoptimierung zur neuen Religion ausgerufen hat, muss sich nicht wundern, wenn keiner mehr Lust auf vermeintlich unschöne Arbeit hat, die auch noch meist zu unchristlichsten Zeiten erledigt werden muss. Und nur zur Erinnerung: Ein Lehrling kann vom Mindestlohn nur träumen, und zwar lange. Zwischen 290 und 710 Euro verdient ein Metzger im ersten Lehrjahr, zwischen 430 und 920 Euro im dritten, wobei sich die Mehrheit im jeweils unteren Drittel bewegt. Das heißt, einen ungemütlichen Job lernen, zu unangenehmen Arbeitszeiten, ohne soziales Ansehen - und darüber hinaus noch mindestens drei Jahre bei Mama wohnen, weil ein Lehrlingsgehalt eben kein selbstbestimmtes Leben ermöglicht. Auch die Aufstiegschancen sind meist bescheiden, so man nicht gerade der Erbe des Inhabers ist.

Die viel gepriesenen Kräfte des Marktes würden so wirken: Weil er so rar ist, müssten Betriebe mehr für ihren Nachwuchs zahlen, machten entweder weniger Gewinn, oder verteuerten Fleisch und Wurst - undenkbar? Ist bessere Bezahlung wirklich nicht drin, sind neue Modelle gefragt, Lehrlings-Sharing, Teilzeit, Betriebswohnungen. Es hülfe fürs Erste vielleicht auch schon, wenn die Betriebe nicht vor allem auf die Noten ihrer Bewerber schielten und stattdessen mehr Praktika anböten, zum gegenseitigen Kennenlernen und Gewöhnen an die Arbeitswelt. Und dann gibt es ja noch die Migranten, die zwar mehr Integrations-Aufwand bedürfen, als gedacht, in einigen Jahren aber durchaus dringend benötigte Mitarbeiter in den Lehrlingsmangel-Berufen sein können. Einige Firmen haben das schon kapiert.

© SZ vom 04.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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