Kommentar:Urbanes Leben aushalten

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Wer in ein neues Stadtviertel zieht, muss damit rechnen, dass sich dort auch tatsächlich ein Stadtviertel entwickelt.

Von Kerstin Vogel

Mehr Lärm, Müll, Verkehr und eine Wertminderung ihrer Grundstücke: Das ist es, was einige Anwohner im Steinpark in Zukunft befürchten, was sie wortreich beklagen und wogegen sie sich zur Wehr setzen. Das ist ihr gutes Recht - doch die Hauseigentümer da in dem neuen Stadtviertel im Norden der Stadt kämpfen nicht etwa gegen die Ansiedlung eines störenden Gewerbebetriebs, eine Spedition, ein Heizkraftwerk oder einen Busbahnhof. Bei diesem Protest der Bürger geht es stattdessen - um Schulen, noch dazu um Schulen, die zu einem Gutteil von Kindern aus dem Quartier selber besucht werden dürften. Und es geht um ein Sportgelände, das über die Schulzwecke hinaus genutzt werden soll - für nichts Schlimmeres als Sport.

Ja, es ist richtig, dass im Steinpark ursprünglich nur eine Grundschule mit etwa 500 Schülern geplant war und ja, natürlich bringt eine zusätzliche Mittelschule mit 600 schon etwas älteren Schülern zusätzliche Belastungen mit sich - wenn man denn Kinder und Jugendliche auf dem Schulweg unbedingt als Belastung sehen und damit in derselben Kategorie verorten möchte wie andernorts Fluglärm oder Feinstaub. Und natürlich wird die Freigabe des Sportgeländes für Vereine dazu führen, dass hier auch abends und am Wochenende Sport ausgeübt wird, der dann auch zu hören ist. Ebenso wie die Skateboards der Jugendlichen, die in dem Viertel leben und überraschenderweise nicht 24 Stunden am Tag leise meditierend in ihren Zimmern sitzen.

Neue Schulen gehören in neue Stadtviertel

Aber bitte: Wo, wenn nicht in ihren neuen Wohnvierteln, soll die Stadt angesichts des enormen Zuzugs denn wohl ihre Schulen bauen? Außerhalb, damit noch mehr Kinder nur noch mit dem Elterntaxi in den Unterricht kommen und der Verkehr auf den Straßen völlig zusammenbricht? Wo soll sich denn der aus gutem Grund hochgelobte Vereinssport abspielen, wenn nicht dort, wo die Menschen wohnen? Nein, bei allem Verständnis für individuelles Ruhebedürfnis: Wer in ein von Beginn an als neues Stadtviertel tituliertes Wohngebiet zieht, der muss damit rechnen, dass sich um ihn herum tatsächlich ein Stadtviertel entwickelt - mit allen Vor-, aber auch Nachteilen, die urbanes Leben mit sich bringt.

© SZ vom 25.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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