Kommentar:Unanständig und dreist

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Wer sich erst persönlich imLaden beraten lässt und dann im Internet kauft, muss sich nicht wundern, wenn immer mehr Geschäfte schließen

Von Gudrun Regelein

Zugegeben: Es ist verlockend. Laufschuhe, die im Fachgeschäft weit über 100 Euro kosten, finden sich im Internet für einen wesentlich geringeren Preis. Und natürlich ist es die Entscheidung eines jeden Konsumenten, was und wo er einkauft. Wenn jemand stundenlang im Internet nach einem Artikel suchen möchte, in der Hoffnung, diesen um zehn oder 20 Euro günstiger zu bekommen, dann ist das seine Sache.

Geiz ist geil. So lautet das Motto vieler heutiger Konsumenten. Geiz ist aber nicht immer anständig. Dann nämlich nicht, wenn sich jemand ausufernd in einem Fachgeschäft beraten lässt und schon zuvor weiß, dass er dort nichts einkaufen wird. Sondern, um ein paar Euro zu sparen, sich die Ware später online bestellt. Das ist nicht geil, sondern dreist. Und verärgert die Ladeninhaber. Denn diese investieren nicht nur viel Zeit in die Beratungsgespräche, sondern müssen auch für die Miete aufkommen und ihr Personal bezahlen. Und sie müssen ein breites und attraktives Warenangebot vorweisen.

Große Ketten können diese Mentalität verkraften, inhabergeführten Läden aber trifft sie hart. Nicht nur, weil es auf Dauer frustrierend ist, zu beraten, aber nichts zu verkaufen. Sondern auch, weil der Umsatz fehlt. Das Freisinger Musikhaus Pfefferkorn beispielsweise macht schon heute mehr als 50 Prozent seines Geschäfts über den Online-Handel. Da ist es kein Wunder, dass der Inhaber darüber nachdenkt, ob sich ein Laden in der Innenstadt bei den hohen Mieten überhaupt noch rechnet. Langfristig werden immer mehr Ladenbesitzer resignieren und aufgeben. Die Folge wäre eine Innenstadt, die noch mehr von Filialen der großen Ladenketten geprägt wäre und die enorm an Attraktivität verlöre. Wollen wir das wirklich? So mancher muss sicher sein Geld zusammenhalten. Geiz aber muss nicht sein.

© SZ vom 21.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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