Kommentar:Lehrstück der Natur

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Der Mensch muss sich den Lebensraum mit anderen teilen

Von Alexandra Vettori

Zugegeben, es ist ein Unterschied, ob man dem munteren Treiben der Saatkrähen eine Zeitlang interessiert zuhört und zuschaut oder morgens um fünf davon geweckt wird. Denn die intelligenten Vögel sind wirklich laut. Und ja, der Vogelkot, der aus den Bäumen rieselt, ist unschön.

Um ein Haar wäre die Saatkrähe nicht nur in Bayern ausgerottet worden, weil der Mensch sie als Nahrungskonkurrenten verfolgte. So wie den Wolf, den Luchs und die Wildkatze. Beim Biber, der ebenfalls seit Jahren für Diskussionsstoff sorgt, ist die Sachlage anders, er war selbst Nahrung und schon immer ein ungeliebter Wasserbauer. Jetzt, da die Umweltgesetzgebung wirkt, tauchen einige Kandidaten der Roten Listen wieder auf - als "Problemtiere". Inzwischen aber hat die Menschheit einen Zivilisationsgrad erreicht, der die tierischen Rivalen nicht mehr wirklich bedrohlich wirken lässt, sondern meist nur nervig. Eigentlich könnte der Umgang also entspannter sein. Die Tiere könnten das Minimum an Lebensraum bekommen, das sie benötigen. Dort, wo das mit dem menschlichen Wirkungsbereich kollidiert, könnte nach Lösungen gesucht werden. Das sind Hütehunde und Elektrozäune beim Wolf oder baumfreie Zonen, Feuchtgebiete und Drahtgitter für schützenswerte Bäume an Gewässern beim Biber.

Die Saatkrähen freilich kommen direkt vor die Haustüre, weil die schlauen Vögel dem Frieden in Wald und Flur nicht trauen - und das offenbar aus gutem Grund, wie das Beispiel Pfarrhölzl zeigt. Das einzige Mittel, sie wirklich aus der Siedlung zu vertreiben, wäre, alle alten Bäume zu fällen, das aber ist kaum durchzusetzen. Deshalb werden empfindliche Anwohner selbst aktiv werden müssen und sich mit geschlossenen Fenstern vor dem Lärm sowie mit Markisen, Netzen oder Planen über Bänken und Ladenvorplätzen vor Vogelkot schützen. Zum Trost: So richtig hoch her geht es bei den Saatkrähen-Nachbarn nur zur Brutzeit im Frühjahr. Es ist ein Lehrstück, das die Natur uns Menschen vorführt: Es zeigt, dass wir nicht die einzigen Geschöpfe auf dieser Welt sind, die einen Lebensraum brauchen.

© SZ vom 18.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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