Kommentar:Einfach mal tot stellen

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Das Interesse an der Freisinger Innenstadt hält sich wie jedes Jahr in Grenzen

Von Kerstin Vogel

Das Bild kennt man eigentlich schon aus den vergangenen Jahren. In der zentralen Bürgerversammlung im Freisinger Rathaus spricht der Oberbürgermeister vor weitgehend leeren Stuhlreihen, bis am Ende meist dieselben zwei oder drei Bürger ihre meist bekannten Probleme vortragen - Parkplatzsorgen oft oder auch Einzelheiten zum Hochwasserschutz. In diesem Jahr waren gerade einmal 26 Freisingerinnen und Freisinger gekommen, fast die Hälfte davon Stadträte oder Verwaltungsmitarbeiter, die den Abend möglicherweise nicht ganz freiwillig geopfert haben. Neuer Beitrag eines Bürgers war die schwer zu beantwortende Frage, warum die Stadt damals beim Umbau der Schlüterhallen dort nicht einen Theater- oder Konzertsaal eingerichtet habe ...

Warum diese Veranstaltung alljährlich so ein "müder Kick" ist, liegt zum einen sicher in der Praxis begründet, in jedem Stadtteil eigene Bürgerversammlungen anzubieten - eine für die Vöttinger in Vötting, eine für die Lerchenfelder in Lerchenfeld und so weiter. Und anders als die zentrale Versammlung sind die zehn anderen zumeist ausgesprochen gut besucht und werden nur zu gerne genutzt, um ganz konkret vor der Haustür existierende Probleme zur Sprache zu bringen.

Dass dieses gute Konzept der Bürgernähe und -mitsprache ausgerechnet in der Innenstadt mit all den Schwierigkeiten, die der laufenden Umbau dort mit sich bringt, nicht funktioniert, bleibt rätselhaft. Die eine Lesart ist, dass es die Verantwortlichen in der Stadtverwaltung und beim Werbeverein "Aktive City" geschafft haben, so regelmäßig, umfassend und gut über die Maßnahmen zur Modernisierung zu informieren, dass einfach keine Fragen mehr offen sind. Vielleicht haben die Bürger inmitten all der aufgerissenen Straßen, der Pflasterarbeiten und dem damit verbundenen Lärm und Verkehrschaos aber auch einfach resigniert und warten nur noch, dass endlich, endlich alles fertig wird. In der Stresslehre hat der Mensch schließlich drei verschiedene Möglichkeiten einer Stressreaktion: Er kann fliehen, kämpfen - oder sich tot stellen.

© SZ vom 29.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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