Kommentar:Eine Erklärung wäre zu wünschen

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Hinweisschilder sollten Informationen zu den alten Hausnummerntafeln bieten

Von Angelina Knauer

Was assoziiert man mit dem Land der Dichter und Denker? Der Prototyp des Deutschen ist mürrisch, trägt Lederhosen und konsumiert Unmengen Bier. Außerdem ist er überpünktlich und durch sein in die Wiege gelegtes Pflichtbewusstsein stets darauf bedacht, alles korrekt zu machen. So war es eigentlich auch nur eine Frage der Zeit, bis bei der Stadt Freising ein Beschwerdebrief eintrudeln würde, der zwei nicht ordnungsgemäß beschriftete Hausnummerntafeln beanstandet.

Edith Wiesenfeld und Michael Beautemps, Wohnungseigentümer und häufige Besucher der Stadt Freising, stören sich an den Schildern der Nummern 38 und 54 an der Unteren Hauptstraße, die etwas unerwartet die Aufschrift Hindenburgstraße tragen. So hieß der untere Teil der Hauptader der Freisinger Altstadt während des Dritten Reichs - was allerdings unverzüglich nach Kriegsende revidiert wurde.

Rechtlich gesehen, befinden sich diese beiden Beschilderungen in einer Grauzone. Bei näherer Betrachtung des Paragrafen 126 Absatz 3 des Baugesetzbuchs ist lediglich festzustellen, dass der Grundstückseigentümer dazu verpflichtet sei, das Grundstück mit der von der Gemeinde festgesetzten Nummer zu versehen. Vom Straßennamen ist dort keine Rede - und tatsächlich ist es bei Notarzt- oder Feuerwehreinsätzen wohl wichtiger, dass die Hausnummer deutlich erkennbar ist. Laut der Stadt Freising müssen die jeweiligen Straßennamen außerdem offiziell auch nur am Straßenbeginn stehen und sich nicht bei jeder einzelnen Nummer ausdrücklich wiederholen, da der jeweilige Bezug automatisch feststellbar sei.

Im Übrigen sind seit der Straßennamenänderungsanordnung aus dem Jahr 1945 nun schon 73 Jahre vergangen. Weder die Nachbarn aus der Unteren Hauptstraße, noch die Eigentümer der beiden betroffenen Gebäude scheinen die alten, aus der NS-Zeit stammenden Hausnummernschilder zu bekümmern. Sie würden an denkmalgeschützten Fassaden hängen und seien ein Stück der Freisinger Geschichte, heißt es sogar - auch wenn man das bei den insgesamt 15 anderen Häusern, die an der Unteren Hauptstraße ebenfalls unter Denkmalschutz stehen, offenbar anders sieht: Sie alle tragen die richtigen Schilder.

Natürlich dürfen die beiden kritisierten Schilder als zeitgeschichtliches Zeugnis erhalten werden - aber dann bitte mit entsprechender Erklärung auf einer Zusatztafel. Der Hang zum inflationären Nutzen von Hinweisschildern ist ja ohnehin eine weitere Eigenart der Deutschen.

© SZ vom 25.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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