Kommentar:Ein Umgang, der ratlos macht

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Morteza Housseini soll in ein Land abgeschoben werden, in dem er noch nie war. Nun soll er auch noch seine Pflegefamilie verlassen und in eine Gemeinschaftsunterkunft ziehen.

Von Clara Lipkowski

Es ist wirklich kaum zu verstehen: Ein junger Mann, der noch nie in Afghanistan war und Anhänger einer dort verfolgten Minderheit ist, soll in eben dieses Land abgeschoben werden. Vorher soll er noch aus seiner Pflegefamilie aus- und in eine Gemeinschaftsunterkunft einziehen. Das klingt, gelinde gesagt, befremdlich.

Der Umgang der Behörden mit dem 19-jährigen Morteza Housseini aus Wolfersdorf, der eigentlich aus Iran stammt, macht sprachlos. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge legt die gesetzlichen Vorgaben für Asylsuchende strikt aus; für die Pflegefamilie ist nicht nachvollziehbar, warum die vorgebrachten Argumente nicht gelten. Man fragt sich: Wo sind Maß und Menschlichkeit bei der Entscheidungsfindung geblieben?

Das Jugendamt wiederum entscheidet zuerst für eine Unterbringung in der Pflegefamilie. Nun ist der Asylantrag abgelehnt, da wird auch noch die Pflegschaft nicht länger unterstützt. Es macht ratlos zu sehen, dass bis vor Kurzem offiziell Hilfebedarf bestand, nun aber nicht mehr. Der junge Mann ist angekommen in der Familie, ist dabei sich zu integrieren, sucht eine Lehrstelle. Nun soll er ausziehen. Es scheint, als solle er sich das behütete Leben abgewöhnen.

Denn dass Morteza Housseini in einem gesicherten Umfeld lebt, zählt offenbar genauso wenig wie die Tatsache, dass er dort mit seinem jüngeren Bruder wohnt, der seinerseits die Nähe des Bruders wünscht. Und das obwohl das Jugendamt doch stets für das Wohl der jungen Leute entscheiden soll.

Bewundernswert ist das Durchhaltevermögen der Pflegeeltern. Die Rentner scheuen keinen Aufwand, rennen von Amt zu Amt, recherchieren stundenlang ihre Rechte. Denn, obwohl das Amt sie nicht zwingt, Morteza in eine Asylunterkunft umziehen zu lassen, es setzt die Familie finanziell unter Druck. Dabei sollte es doch gerade von Interesse sein, junge, sich orientierende Flüchtlinge in familiärer Umgebung statt in Sammelunterkünfte unterzubringen.

© SZ vom 18.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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