Kommentar:Der Mensch ist selbst schuld

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Der Biber gilt als Plage, weil der Mensch seine natürlichen Feinde ausgerottet hat

Von Peter Becker

Pfuscht der Mensch der Natur ins Handwerk, kommt in den seltensten Fällen etwas Gescheites dabei heraus. Jahrhunderte lang haben Jäger dem Biber emsig nachgestellt. Er galt früher, in Zeiten als auch der Wal noch zu den Fischen zählte, als Fastenspeise. Schließlich schwamm der Biber ja im Wasser herum. Nach der pragmatischen Art der Leute, die im Mittelalter lebten, galt er eben als Fisch, dessen Fleisch man sich durchaus auch am Karfreitag genehmigen dufte. Weniger ums Sattessen ging es dagegen den Pelzjägern. Sie wollten dem Nager ans Fell, weil sich mit diesem trefflich Geld verdienen lässt. Sie waren es letztlich, die dem Biber im 19. Jahrhundert in Deutschland den Garaus gemacht hatten.

Der Mensch, jäh aus seinem Jagdeifer gerissen, war darüber ganz traurig, dass das possierliche Tier auf einmal verschwunden war. Flugs wurden Biber aus Kanada nach Europa umgesiedelt, in etwa zeitgleich wie die Bisamratte. Die machte sich rasch unbeliebt, weil sie sich im Eiltempo vermehrte und emsig Ufer und Dämme unterhöhlte. Die Bisamratte entwickelte sich bereits in den Dreißigerjahren zum Störenfried. Der Biber brauchte etwas länger, bis er sich vom possierlichen Tier wieder zu einer unerwünschten Plage entwickelte.

Ernüchtert stellt der Mensch heute fest, dass der Biber hierzulande keine Fressfeinde mehr hat. Wolf und Bär sind fast gleichzeitig mit dem Biber aus Deutschland verschwunden. Recken sie ihre Schnauzen aus süd- oder osteuropäischen Nachbarländern herüber, gelten sie gleich als unerwünschte Grenzgänger, denen man mit der Flinte zu Leibe rückt. Freilich bezeichnet das neutrale Behördendeutsch den Abschuss von unerwünschten Tieren heutzutage nicht mehr als Töten. Stattdessen spricht man in Au schönfärberisch von "Entnahme". Es sollen doch schließlich keine menschlichen Gefühle verletzt werden.

© SZ vom 14.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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