Kniffelige Angelegenheit:Das Parkplatz-Dilemma

Lesezeit: 3 min

Wenn in der Innenstadt neuer Wohnraum entsteht, freut das die Freisinger Stadträte. Dass auch immer mehr Tiefgaragen geplant sind, gefällt ihnen weniger, denn die Autos sollen möglichst aus dem Zentrum verbannt werden

Von Kerstin Vogel

In Freising werden immer mehr Baulücken geschlossen: Am Wörth wird schon gebaut. (Foto: Marco Einfeldt)

In der neuen Freisinger Innenstadtkonzeption ist das Ziel klar formuliert: Die Altstadt soll möglichst vom Autoverkehr befreit werden - und Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher hat kürzlich bei einer Bürgerversammlung angedeutet, wie das aussehen könnte. Eine Idee ist offenbar, die Autos künftig zwar im Westen und Osten hinein, aber eben nicht mehr hindurch fahren zu lassen, "Schleifenerschließung" nennt man das dann.

Ein anderes Ziel, über das im Freisinger Stadtrat seit Jahren Konsens besteht, ist, dass in einem lebendigen Zentrum auch Menschen wohnen sollten. Pläne für den Bau neuer Wohnungen in der Innenstadt - Fachterminus: Nachverdichtung - werden deshalb im Allgemeinen mit Wohlwollen aufgenommen. Immer öfter allerdings mussten die Stadträte zuletzt feststellen, dass die Sache einen Haken hat. Auch Menschen, die in einer historischen Altstadt wohnen, haben zumeist mindestens ein Auto - und das möchten sie möglichst ortsnah irgendwo abstellen können.

Fast immer müssen also zu den Wohnungen auch Parkplätze genehmigt werden und der Platzmangel in den engen Gassen der Freisinger Altstadt legt nahe, dass es sich dabei nur um Tiefgaragenplätze handeln kann. Hier aber kollidieren die beiden Ziele der Stadtpolitik: Wer seine Altstadt beruhigen möchte, kann nicht gleichzeitig Tiefgaragen bauen und umgekehrt, so jedenfalls sehen das Stadträte wie Birgit Großkopf (SPD) und Jürgen Maguhn (Grüne), die deshalb zuletzt "Lösungen" anmahnten - ohne allerdings näher darauf einzugehen, wie diese aussehen könnten.

Tatsächlich musste man sich in den zuständigen Gremien der Stadt in jüngerer Zeit gleich mehrmals mit dem Problem befassen. Die Münchner Hauseigentümerin Iris Kramer etwa will das alte Camera-Gebäude an der Stieglbräugasse abreißen und durch ein Wohnhaus mit dreieinhalb Geschossen inklusive Tiefgarage ersetzen. Der Laubenbräu am Marienplatz soll saniert und erweitert werden, die Graf von Moy GmbH will dort unter anderem Wohnungen einbauen - und zehn Tiefgaragenplätze für die künftigen Mieter.

Ganz schwierig dürfte es werden, wenn sich Louis Praetner irgendwann entschließen sollte, seine Grundstücke an der Oberen Hauptstraße für Wohnbau zu verwenden - und es heißt seit Jahren, dass er das vorhat. Dann wird auch er wohl eine Tiefgarage mitplanen - es sei denn, er würde sich entscheiden, den anderen Weg zu gehen, den ihm die Stellplatzsatzung der Stadt eröffnet. Zwar schreibt diese Satzung für den "modifizierten Ensemblebereich", die Innenstadt also, einen Parkplatz pro Wohnung vor. Diese könnten aber auch abgelöst werden, wie Eschenbacher bestätigt. Der Bauherr zahlt dann 9000 Euro pro nicht vorhandenem Stellplatz - und die Stadt baut mit diesem Geld an anderer Stelle Parkplätze. Beim Umbau der ehemaligen Schreinerei Fischer am Wörth beispielsweise haben sich die Bauherren für so eine Variante entschieden und auf Garagen für das dort geplante Wohnhaus verzichtet - auch wenn das bis zu 100 000 Euro an Ablöse kosten könnte.

Auch die Graf von Moy GmbH könnte den Laubenbräu natürlich ohne Tiefgarage umbauen, wie es sich die direkten Nachbarn in der Innenstadt wünschen. So weit weg ist beispielsweise das Altstadtparkhaus am Marriott-Hotel nicht - und natürlich vermietet die Stadt hier Dauerparkplätze, auch das bestätigt der Oberbürgermeister. Der Nachteil allerdings ist, dass die Stellflächen weder konkret einem Bauvorhaben in der Stadt zugeordnet werden dürfen noch kann die Stadt Innenstadtbewohnern mit Auto dort einen festen Parkplatz zuteilen. Und ob die Betreffenden tatsächlich auch größere Einkäufe oder gar Getränkekisten aus dem Parkhaus nach Hause schleppen wollen, ist fraglich. Wahrscheinlicher ist, dass sie eben doch bis zu ihrer Wohnung fahren und zum Ausladen irgendwo die engen Gassen versperren werden.

Eschenbacher hält die künftigen Bewohner der Altstadt aber nicht für das ganz große Problem. Die Stadt sei bereits relativ eng bebaut, all zu viele Möglichkeiten der Nachverdichtung gebe es neben den bereits avisierten nicht mehr. Höchstens auf dem Grundstück des alten Bavaria-Kinos könnte sich noch etwas tun, beim Woolworth oder auch an der Angerbadergasse. "Das sind Hotspots, wo wir noch aufpassen müssen", so Eschenbacher.

Natürlich müsse die Stadt noch ein paar Stellplätze schaffen, aber das sei mit dem Parkhaus im Westen - gedacht ist an das Kriechbaumgrundstück an der Wippenhauser Straße - ja bereits geplant. Denn die Anwohner würden meist gar nicht so viel Verkehr generieren: "Die fahren morgens einmal weg und kommen abends wieder", so der Oberbürgermeister. Das Ausklammern des Durchgangsverkehrs, wie es die Stadt plane, "verbessert doch viel mehr als diese paar Anwohnerparkplätze verschlechtern", ist er überzeugt. Ein Plädoyer für die Schleifenerschließung also.

© SZ vom 31.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: