Kirchbergers Woche:Zeichen stehen nicht auf Expansion

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Von der Klimabewegung hat der neue Flughafen-Chef noch nicht viel mitbekommen

Kolumne von Johann Kirchberger

Seit Wochen zieht OB Tobias Eschenbacher durch die Freisinger Ortsteile, versammelt die Bürger um sich und verkündet eine frohe Botschaft. Der Bau der dritten Startbahn, sagt er, habe sich seiner meiner Meinung nach so gut wie erledigt. Bei der derzeitigen Klimadiskussion werde es keiner mehr wagen, diese Flughafenerweiterung zu realisieren. Andere, wie der ehemalige Grünen-Abgeordnete und jetzige Aufgemuckt-Sprecher Christian Magerl, warnen dagegen vor allzu großem Optimismus. Die Staatsregierung habe die Pläne nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. Der Kampf gegen die dritte Startbahn sei noch nicht erledigt, er müsse weitergehen.

Große Hoffnungen, dass Ministerpräsident Markus Söder dem Spuk rasch ein Ende bereiten und verkünden könnte, die dritte Startbahn sei Geschichte, so wie das einst Günther Beckstein mit dem Transrapid gemacht hat, darf man wohl auch nicht haben. Söder hat sich zwar inzwischen ein grünes Mäntelchen umgeworfen, tritt für den Artenschutz ein, propagiert den Klimaschutz als eines seiner obersten Ziele und umarmt Bäume, doch die zerstörerischen Auswirkungen des Flugverkehrs stehen bisher nicht auf seiner Agenda. Dabei könnte er sich ungeheure Meriten erwerben, würde er das Sterbeglöckchen für die Startbahnpläne läuten. Seine grüne Politik würde enorm an Glaubwürdigkeit gewinnen, Söder und in seinem Schatten auch Hubert Aiwanger könnten sich in der Region feiern lassen. Noch aber lässt Söder das Damoklesschwert über Freising schweben und schweigt.

Der neue Flughafenchef Jost Lammers fühlt sich durch Söders Zurückhaltung offensichtlich ermuntert, auch in der Nach-Kerkloh-Ära die Startbahnpläne weiterzuverfolgen. Ein wesentliches Zukunfts- und Schlüsselprojekt für die langfristige Entwicklung des Flughafens sei die dritte Startbahn, hat er vor wenigen Tagen bei seiner Vorstellung verkündet. Und auch Finanzminister Albert Füracker, zugleich kraft seines Amtes Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafen GmbH, hat die Notwendigkeit einer Erweiterung der Start- und Landebahnkapazitäten hervorgehoben. Notwendig ja, aber für wen? Für München, für die Region, für Bayern? Nein, notwendig sind die überholten Pläne lediglich, um mit dem Flughafen mehr Geld zu verdienen.

Nun gut, Jost Lammers war bisher in Ungarn tätig, Klimaschutz wird dort ebenso gering geschätzt wie Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit, was einen Edmund Stoiber nicht davon abhält, sich in diesen Tagen von Viktor Orbán einen Orden umhängen zu lassen. Könnte deshalb sein, dass Lammers vom Klimawandel und von der Klimabewegung in Deutschland noch nicht so viel mitbekommen hat. Vielleicht braucht es also noch ein paar Monate und einige Touren auf dem Umweltradweg, inklusive einer gehörigen Ladung Ultrafeinstaub, bis auch er merkt, woher der Wind im Erdinger Moos weht. Die Zeichen stehen hier nicht auf Expansion, sondern auf eine gerechte Besteuerung, die zu einer Reduzierung des Flugverkehrs führt. Der Flughafen ist ein Unternehmen der öffentlichen Hand, die muss nicht auf Gedeih und Verderb Geld verdienen. Irgendwer sollte das Jost Lammers beibringen.

© SZ vom 02.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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