Kirchbergers Woche:Wer anschafft, soll auch zahlen

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Warum die Anwohner der Freisinger Innenstadt derzeit sehr genau über das Konnexitätsprinzip informiert sind

Von Johann Kirchberger

Wer soll das bezahlen, wer hat das bestellt, wer hat so viel Pinke-Pinke, wer hat so viel Geld?, heißt es in einem Karnevalslied aus dem Jahr 1949. Eine eigentlich überflüssige Frage. Denn seit jeher gilt der Grundsatz "wer bestellt, der zahlt". In der Politik wird das als Konnexitätsprinzip verkauft und immer dann vehement eingefordert, wenn es vorteilhaft erscheint. Manchmal aber ist auch alles anders.

Jahrelang wurde die Innenstadtkonzeption vorgestellt, der niveaugleiche Ausbau der Straßen und Gassen diskutiert und nachgedacht, wie die Altstadt attraktiver werden könnte. Nun wurde in der Weizengasse mit ersten Arbeiten begonnen. Als aber die Anlieger erfahren haben, dass ihnen die Stadt nach der Straßenausbaubeitragssatzung 70 Prozent der Umbaukosten aufbürden will, beziehungsweise wollte, dürfte oder müsste, brach ein Proteststurm los. Erschrocken ist der Oberbürgermeister zurückgerudert. Zwar seien nach Rechtslage 70 Prozent von den Anliegern einzufordern, sagte er, die Stadt verhandele aber mit der Rechtsaufsicht, ob nicht auch weniger möglich sei. So weit, so gut. Es mag unbestritten sein, dass auch die Anlieger etwas davon haben, wenn ihre Straßen verschönert werden. Aber sie haben diese Maßnahmen nicht angeschafft, haben keine Luxussanierung mit teurem Natursteinpflaster, Bänken aus Edelholz und Leuchtstelenreihen bestellt. Sie haben die Planer nur gewähren lassen. Treu dem Glauben: "Wer anschafft, zahlt". Aber man kann sich auch täuschen.

Das hätte sich Katharina Eisenreich 1920 auch nicht träumen lassen, als sie im Weihenstephaner Bräustüberl aus der Not heraus ihren überreifen Camembert mit einer Gabel zerdrückte, mit Butter, Bier, Zwiebeln, Kümmel, Paprika, Salz und Pfeffer vermengte und ihren Gästen servierte. Dieses Verlegenheitsgericht machte später als Obazda Karriere. Nun hat die EU-Kommission den "bayerischen Obazdn" sogar in das europäische Herkunftsregister aufgenommen. Der EU-Schutz umfasst die Grundrezeptur und legt fest, dass mindestens eine Produktionsstufe - Erzeugung, Verarbeitung Herstellung - in Bayern zu erfolgen hat. Früher sind alle Zutaten einschließlich Köchin aus Weihenstephan gekommen, nur die Gabel kam aus Solingen. Mit was sich die EU so alles beschäftigt, wundern muss man sich da schon.

Um ihre Gewerbesteuerzahler bei Laune zu halten, hat die Gemeinde Hallbergmoos zum Wirtschaftsempfang an den See am Sportpark geladen. Leider konnte Profisegler Tim Kröger von seinen Abenteuern nur erzählen, da sich der See als deutlich zu klein für praktische Vorführungen erwies. Weitaus bedeutender erscheint uns aber ohnehin, dass die Gäste danach zum "Flying Buffet" eingeladen waren. Haben da womöglich Bürgermeister und Gemeinderäte mit dem EU-geschützten Obazdn geworfen?

© SZ vom 11.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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