Kirchbergers Woche:Von Kurven- und Radwegtestern

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Jetzt ist die Katze aus dem Sack. Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher hat ganz offiziell eingestanden, dass die Kosten für die Westtangente die 100-Millionen-Marke deutlich überschreiten werden

Kolumne von Johann Kirchberger

Jetzt ist die Katze aus dem Sack. Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher hat ganz offiziell eingestanden, dass die Kosten für die Westtangente die 100-Millionen-Marke deutlich überschreiten werden. Deutlich! Ja, wer hätte das gedacht. Ganz nebenbei ist kürzlich noch aufgefallen, dass an der Abbiegung von der Schlüterbrücke zur alten B 11 in Richtung Molkerei irgendetwas nicht stimmt. Die Lastwagen rumpeln da alle über eine Verkehrsinsel, um irgendwie und mit Müh und Not die Kurve zu kriegen. Daraufhin haben Freisings Westtangentenplaner ihre Geheimwaffe ausgepackt, Kurventester Anton Frankl. Der ist nicht nur Stadtrat und Feuerwehrkommandant, sondern auch Landwirt und deshalb fährt er ab und zu ein Schleppergespann. Und siehe da, er bestätigte voll und ganz, dass die Abbiegung zu eng gebaut worden sei. Der Umbau der Kreuzung kostet aber nix extra, weil das ein externes Planungsbüro versemmelt hat und jetzt kostenlos nachbessern muss, und der Frankl Toni für seinen Test nichts berechnet hat.

Der Frankl war es übrigens auch, der sich die Klagen der Ismaninger-Straße-Anlieger bei der Bürgerversammlung in Lerchenfeld zwar anhörte, aber die Angst der angeblich massenhaft gefährdeten Radler auf den markierten Radwegen nicht nachvollziehen konnte: Er fahre da fast täglich, habe aber noch nie Angst gehabt. Wer hat recht? Spontan haben wir uns zum Selbstversuch entschlossen und sind an zwei aufeinanderfolgenden Tagen um die Mittagszeit von der Korbinianbrücke zur Savoyer Au geradelt. Auf der ganzen Strecke ist uns jeweils nur ein einziger, entspannt in die Pedale tretender Radler begegnet. Raser - nicht mit dem Rad, sondern im Auto - ist uns gar keiner aufgefallen. Wahrscheinlich waren die alle schon Zuhause und haben dank verstärkten Gasfuß-Einsatzes ihre noch heiße Suppe genießen können. Irgendwie muss man da Verständnis aufbringen.

Das gilt auch für die Aussage des Oberbürgermeisters, dass es sehr schwer werden wird, gegenüber der Regierung die von den Anliegern gewünschte Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 Stundenkilometer auf der Ismaninger Straße zu begründen. Schon weil auch die staatlichen Verkehrsplaner gerne Suppe essen, so lange sie noch heiß ist.

Auf der Erdinger Straße in Lerchenfeld gilt schon knapp ein Jahr Tempo 30. Allerdings nur nachts, aus Lärmschutzgründen, und natürlich vor den Schulcontainern, obwohl die Realschüler längst umgezogen sind. Eine spürbare Verbesserung haben die Anlieger nicht ausgemacht. Weil die Polizei nicht kontrolliert, "wird gefahren wie die Sau", hieß es. Wir wissen nicht, wie schnell eine Sau auf einer innerstädtischen Straße fährt. Wahrscheinlich sehr schnell. Wir kennen aber Untersuchungen von Verkehrsbehörden, wonach bei Kontrollen in Tempo-30-Zonen und noch mehr in verkehrsberuhigten Bereichen, wenn Schrittgeschwindigkeit gefordert ist, vor allem Anlieger erwischt werden. Ein wenig Schadenfreude könnte da aufkommen, wenn man nicht selbst schon bezahlt hätte.

© SZ vom 01.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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