Kirchbergers Woche:Tut Gutes, und zwar freiwillig

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Schlechte Gewohnheiten kommen von selbst, gute muss man trainieren

Kolumne von Johann Kirchberger

In wenigen Tagen beginnt das Jahr 2020, und wie immer wird das neue Jahr mit einem Feuerwerk begrüßt. Es ist eben so schön, sein Geld in die Luft zu jagen, Böller zu werfen und Raketen abzuschießen. So richtig hat zwar niemand etwas davon, aber ist es eben guter alter Brauch, es an Silvester krachen zu lassen. Ein dummer Brauch und ein gefährlicher noch dazu. Die Feuerwehr warnt vor Bränden, die Polizei vor der Verletzungsgefahr, die Feinstaubbelastung ist ungeheuer hoch, die Tiere verkriechen sich, sie haben Angst. Macht aber nichts, deswegen werden jetzt sogar schon spezielle Vogelschreck-Böller verkauft. Ach ist das lustig. Auch bei den Flüchtlingen wird die unsinnige Ballerei Angst auslösen, sie werden unweigerlich an den Krieg in ihrer Heimat erinnert, an Bomben und Maschinengewehrfeuer. Aber es hilft nichts, das alte Jahr muss erschossen oder das neue angeschossen werden, ohne Rücksicht auf Verluste.

Man könnte das viele Geld, das von heute an wieder für Silvesterraketen ausgegeben wird, natürlich auch spenden und es dabei belassen, ein paar Sektkorken knallen zu lassen. Oder man könnte so ein Feuerwerk grundsätzlich verbieten, überall, so wie es in der Freisinger Innenstadt schon seit Jahren verboten ist. Aber um Gottes willen, mit Verboten darf man ja nicht arbeiten, heißt es, deshalb setzt die Politik seit Jahren auf Freiwilligkeit. Das klappt aber nicht, weder in der Landwirtschaft, noch in der Lebensmittelindustrie, noch bei der Organspende, noch beim Klimaschutz, noch beim Erhalt der Artenvielfalt, noch beim Verzicht auf Flüge, noch bei einem Tempolimit und auch sonst nirgendwo. Es klappt nur, wenn die Menschen zu ihrem Glück gezwungen werden. Es braucht Gesetze und Verbote. Aber die wollen die Politiker nicht, sie wollen das Volk nicht gängeln und verärgern, sie wollen ja alle paar Jahre wiedergewählt werden.

Auch die Teilnahme an den Kommunalwahlen am 15. März ist freiwillig. Schätzungsweise die Hälfte der Wahlberechtigten werden aber auch in Freising von ihrem Recht keinen Gebrauch machen. Die Arbeit, Männer und Frauen auszusuchen, denen sie in den nächsten sechs Jahren das Schicksal ihrer Stadt, ihrer Gemeinde, ihrer Heimat anvertrauen, ist ihnen zu viel. Es ist allerdings auch nicht ganz leicht, in der Wahlkabine die richtigen Kandidaten auf ein paar Quadratmetern Papier auszuwählen. Mehr als 1000 Namen müssen die Freisinger durchforsten und dann 40 für den Stadtrat und 70 für den Kreistag ankreuzen. Aber es geht ja auch einfacher, wenn man sich mit den Kommunalwahlen ernsthaft beschäftigt. Man kann sich für eine Partei entscheiden, man kann Stimmen häufeln, man kann weniger Stimmen abgeben als möglich wäre oder man kann sich zur Not auf die Wahl des Bürgermeisters und des Landrats beschränken. Und es gibt ja auch noch die Briefwahl, um seine Kreuzchen daheim und in aller Ruhe zu machen.

Wählen ist freiwillig, Nichtwählen und anschließend auf Facebook, Instagram, Twitter oder sonst irgendwo zu meckern über den Unsinn, den Gemeinde-, Stadt- und Kreisräte beschließen, das ist schön. Fast so schön, wie an Silvester Raketen abzuschießen. Aber nur fast.

© SZ vom 28.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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