Kirchbergers Woche:Spelunke mit Seele

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Wie der Graf Moy zu Weihnachten eine ganze Menge Leute glücklich machen könnte

Von Johann Kirchberger

Eigentlich ist es ja eine rechte Bruchbude, dieses Abseits, das früher einmal Deutsches Haus hieß, als hier noch Tanzunterricht gegeben wurde und Giorgio Bolognese seine Pizzen verkaufte. Ließe man hier einmal die Sanierer rein, etwa jene, die gerade die Auer Mittelschule bearbeiten, dürften wohl nicht einmal die Außenmauern stehen bleiben. Aber dieses Abseits hat eben etwas ganz Besonderes, es hat einen ausgeprägten morbiden Charme. Keineswegs despektierlich ist es, dieses Neustifter Lokal eine Spelunke zu nennen, denn es ist keine üble Spelunke, es ist ein nettes, ein uriges Lokal. Eines, in dem sich die Leute wohl fühlen, auch oder gerade wenn es hier mal wieder richtig eng zugeht. Eine Spelunke, in der seit einiger Zeit auch wieder Musik und Kabarett zu Hause sind. Da stören baulichen Mängel nicht, so lange in dem 250 Jahre alten Gebäude niemandem die Decke auf den Kopf fällt. Das Abseits ist Kult, es mag eine Spelunke sein, aber sie hat eine Seele, im Gegensatz zu so vielen anderen umgebauten, auf modern-bajuwarisch getrimmten Lokalen in der Stadt. Deshalb auch setzen sich so viele Menschen dafür ein, dass dieses Stück Freisinger Kneipenkultur erhalten bleibt, dass möglichst nichts verändert wird, dass alles so bleibt, wie es ist.

Natürlich ist klar, dass ein Immobilienbesitzer wie Graf Moy da anders denkt. Die Pacht, die man aus einem derart heruntergekommenen Gebäude zieht, dürfte bescheiden sein im Vergleich zur Rendite, die eine moderne Wohnanlage erbringt. Vielleicht sieht es Graf Moy sogar als seine Pflicht an, seine alten Wirtschaften auf Vordermann zu bringen, sie notfalls komplett zu ersetzen. Im konkreten Fall wäre es freilich schöner, er würde nicht an den Profit denken, sondern er würde den Wünschen der Freisinger folgen und sich von dieser Immobilie trennen. Vielleicht gibt er ja seinem Herzen einen Stoß, nimmt die von den Pächtern angebotene Million und lässt es gut sein. Auch wenn womöglich andere Interessenten mehr bieten. Ein paar hunderttausend Euro mehr oder weniger machen den Grafen nicht arm. Aber er könnte Menschen glücklich machen, Menschen, die auf der Straße stehen und für ihr Abseits singen, die demonstrieren fahren für ein Lokal, das ihnen ans Herz gewachsen ist. Wer weiß, vielleicht denkt Graf Moy ja gerade jetzt an Weihnachten darüber nach, dass Geben seliger macht als Nehmen.

Wer jetzt noch kein Weihnachtsgeschenk für seine Lieben hat und meint, unbedingt eins zu brauchen, für den wird es langsam Zeit. Noch garantieren Amazon und Co., alle Bestellungen bis Heiligabend auszuliefern. Aber muss es wirklich das Internet sein, um seine Einkäufe zu erledigen? Sicherlich mag es bequem sein, am Abend vom Schreibtisch aus Shoppen zu gehen und etwas in den virtuellen Warenkorb zu legen. Aber verzichtet man damit nicht auf dieses ganz besondere Einkaufserlebnis, ein passendes Geschenk zu finden, zu begutachten, zu berühren und zufrieden nach Hause zu tragen? Im Internet kann man sich Ideen holen, kaufen sollte man in den Geschäften. Nicht unbedingt in München oder Landshut, sondern in seiner Stadt. Andernfalls darf sich niemand beklagen, wenn alteingesessene Kaufleute aufgeben und es in der Freisinger Innenstadt bald nur noch Handyshops, Filialisten und Banken gibt. Stoppen könnte die Verödung der Innenstadt ein ganz einfacher Grundsatz: Was der Mensch braucht, gibt es in Freising. Was es in Freising nicht gibt, braucht er nicht.

© SZ vom 19.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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