Kirchbergers Woche:Sehnsucht nach der guten alten Zeit

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Christmetten sind auch nicht das, was sie mal waren

Von Johann Kirchberger

Das Singen in der Kirche, hat Django nie gewollt, und alle Leute wussten, sein Gesangbuch ist der Colt". So reimte die Blödeltruppe Insterburg & Co in den 70er Jahren. Heute könnte Django, falls er sich rechtzeitig um eine Eintrittskarte gekümmert hätte, unbesorgt zur Christmette gehen, er muss dort nicht singen. Das Singen in der Kirche ist strengstens verboten. Gesangbücher liegen zwar womöglich herum, sind aber derzeit zu nichts zu gebrauchen.

Ja, Christmetten sind nicht mehr das, was sie früher einmal waren. Um Mitternacht wurden sie einst gehalten und mit dem Stille-Nacht-Lied würdevoll beendet. Und weil der Heilige Abend einmal der letzte Tag des 40-tägigen Adventsfastens war, wurden nach dem Heimmarsch über tief verschneite Wege Mettenwürst serviert und der Geburtstag des Herrn ausgiebig gefeiert. Schon seit einigen Jahren aber haben sich die Weihnachtsbräuche gründlich geändert. Die meisten Christmetten beginnen um 22 Uhr, gegessen wird nicht mehr danach, sondern zuvor und durch den Schnee stapft auch niemand mehr, seit weiße Weihnachten in unseren Breiten abgeschafft wurden.

Heuer ist alles noch ein wenig schlimmer. Christmetten finden, wenn überhaupt, am Nachmittag statt und müssen so früh beendet sein, dass keiner mehr nach 21 Uhr auf der Straße herumlungert, weswegen mit den engsten Verwandten nur noch ein gemeinsames Mittagessen möglich ist. Die Corona-Verordnungen würden es zwar erlauben, dass sich jeder Haushalt vier Personen zu einer Feier einlädt, bei der ausgewickelt wird, was die Paketboten seit Wochen ins Haus geschleppt haben. Doch das muss schnell gehen. Die allgemeine Ausgangssperre lässt für Traditionstreffen kaum Zeit. Es sei denn, die lieben Verwandten sind bereit, auf Feldbetten zu übernachten.

Ja, 2020 war und ist kein gutes Jahr. Gut, dass es bald vorbei ist, wobei das Ende noch einmal gar schrecklich sein wird. Es können - schluchz - keine Raketen und Böller abgeschossen werden, auch nachbarschaftliche Umarmungen auf der Straße fallen weg, ebenso das Anstoßen in freier Natur mit dem meist schrecklichen Schaumwein.

Ob 2021 alles besser wird? Kaum anzunehmen. Ohne als Spaßverderber gelten zu wollen, darf prophezeit werden, dass auch im nächsten Jahr reihenweise Veranstaltungen ausfallen werden. Oder glaubt jemand ernsthaft, wir säßen wieder alle im Volksfestzelt dicht gedrängt an Biertischen und prosteten uns unbekümmert zu, weil das Virus ein für alle Mal besiegt ist? Kaum vorstellbar, dass jemand in ein paar Wochen Lust darauf hat, in Ischgl oder Südtirol den Skiurlaub zu verbringen, sich im Sommer in Rimini oder auf Mallorca bräunen zu lassen oder in einer vollen Allianz-Arena zu jubeln. Nein, das werden wir schön bleiben lassen, egal was staatlicherseits erlaubt oder verboten ist. Schon aus Angst heraus, sich im letzten Moment doch noch zu infizieren. Und wir werden weiter mit der Maske leben müssen, unsere Kontakte beschränken und uns darüber freuen, wenigstens mit zwei Kumpels an einem Tisch im Biergarten sitzen zu können.

Von diesem 2021 dürfen wir uns also nicht zu viel erwarten. Aber vielleicht kommt ja auch alles anders, und es wird besser und schöner, so wie es früher einmal war. In der guten alten Zeit.

© SZ vom 24.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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