Kirchbergers Woche:Sehnsucht nach Besinnlichkeit

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Nein, die Uhr kann man nicht zurückdrehen. Aber irgendwie war Weihnachten früher schöner, beschaulicher und ruhiger. Oder nicht?

Kolumne von Johann Kirchberger

Verdammt lang ist's her, als noch der Nikolaus und nicht der Coca-Cola-Weihnachtsmann Geschenke brachte, als sich Kinder über Äpfel und Nüsse freuten und sich kein Hightech-Spielzeug wünschten und geschenkt bekamen. Verdammt lang her ist es, als sich hinter jedem Türchen des Adventskalenders Bilder versteckten und keine Schokolade. Verdammt lang ist's her als es noch keine Christkindlmärkte, keine Bratwurst- und Glühweinstände gab. Verdammt lang her ist es auch, dass am Heiligen Abend das Christkindl selbstgestrickte Socken und Holzspielzeug brachte, und der Weihnachtsbaum keine teure Blautanne war, sondern eine mit viel Lametta und Kerzen geschmückte kleine Fichte, die schon nach ein paar Tagen nadelte. Soll man diesen Zeiten nachtrauern?

Nein, die Uhr kann man nicht zurückdrehen. Aber war es damals nicht doch ein wenig schöner, beschaulicher, ruhiger? Oft ist es heutzutage schon ein wenig erschreckend, wie Weihnachten missbraucht wird. Alles dreht sich um den Kommerz. Alles sucht nach Geschenken. Praktisch sollen sie sein, natürlich auch teuer - und sie sollen etwas hermachen. Und so werden Jahr für Jahr unsinnige Dinge gekauft, die keiner braucht. Es wird von Geschäft zu Geschäft gehetzt, begleitet von weihnachtlichem Gedudel, gegessen wird im Gehen, allenfalls im Stehen und Coffee oder Glühwein to go werden im Pappbecher konsumiert. Ja gut, bei manchen Weihnachtsmärkten, wie etwa beim Christkindlmarkt der Herzen am Freisinger Marienplatz - der war doch heuer wieder wonderful - oder bei den Christkindlmärkten der Pfarreien und Schulen kommt der Erlös wenigstens karitativen Einrichtungen zugute. Fressen und saufen für einen guten Zweck, heißt das.

So mancher Freisinger hat aber nicht einmal dafür Zeit. Er sitzt an den Adventstagen zuhause, wühlt sich durch das Internet und macht mit Amazon year-end-deals. Was früher heim getragen wurde, bringt jetzt der Packerlbote ins Haus. Was nicht gefällt, wird zurückgeschickt. Und kurz vor den Feiertagen geht es dann noch zur XMas Pornstar-Party, zur Entspannung. Aber nicht nur, denn merkwürdigerweise nehmen auch die Weihnachts- und Adventssingen zu und sind bestens besucht. Die Lesungen von Ludwig Thomas Heiliger Nacht in Oberberghausen waren im Nu ausverkauft. Es werden neue Krippenwege angeboten und fast überall im Landkreis gibt es einen "lebenden Adventskalender". Allerdings leider auch diese schrecklichen bunten Lichterketten an den Balkonen und in den Vorgärten.

Ob dieser Lichterglanz die weihnachtliche Stimmung hebt, weiß man nicht. Aber wie es scheint, sehnen sich die Menschen trotz aller Hektik nach Besinnlichkeit. Deshalb werden am Heiligen Abend, wenn zur Christmette geläutet wird, die Kirchen auch heuer wieder voll sein. Ist ja schließlich die Jahreshauptversammlung der Kirchensteuerzahler, wie vor ein paar Jahren ein Lerchenfelder Pfarrer gesagt hat. Und wenn dann die Lichter ausgehen und mit Andacht das Lied "Stille Nacht, heilige Nacht" gesungen wird, werden anschließend zumindest einige Freisinger glückselig und in froher Erwartung nach Hause gehen. Vorausgesetzt, daheim warten Mettenwürscht im Kessel, so wie in der guten alten Zeit.

© SZ vom 22.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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