Kirchbergers Woche:Schlechte Karten für Kiebitz & Co.

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Oft drängt es den Freisinger nicht nach Erding, aber manchmal muss es eben sein und dann kann er was erleben

Von Johann Kirchberger

Selten zwar, aber immer wieder mal lässt es sich nicht umgehen, dass unsereins nach Erding muss. Nicht direkt in die Stadt, aber durch sie durch oder auch daran vorbei. Zumindest wenn man die Autobahn A 94 nach Niederbayern erreichen will, um so die engen Straßen nach oder durch Schwindkirchen und Schwindegg zu vermeiden. Der Freisinger fährt also über die St 2084 zur Flughafentangente Ost und dann weiter in Richtung Erding, eine fast schnurgerade Strecke, auf der man aber selten bis gar nicht rasch vorankommt. Viele langsam fahrende Lastwagen sind hier unterwegs, was einige Unvernünftige immer wieder dazu veranlasst, ein eigentlich verbotenes Überholmanöver zu riskieren. Aber Unvernunft ist ja gerade in diesen Zeiten weit verbreitet, wie man an den Impfverweigerern sieht. Hier wie da können die Folgen tödlich sein.

Nun soll diese Flughafentangente (FTO), die von der A 92 nach Markt Schwaben führt, verbreitert werden - langfristig auf vier Spuren. Ein aus Sicht der Autofahrer sinnvoller und längst erforderlicher Ausbau. Anders, so glauben sie, wird sich die Zahl der Verkehrsunfälle mit vielen Schwerverletzten und Toten nicht verringern lassen.

Grüne, Bürgerinitiativen und einige Naturschutzorganisationen sehen das ein wenig anders. Sie prangern den hohen Flächenverbrauch für die geplante Verbreiterung der FTO an, sprechen von einem erheblichen Eingriff in das europäische Vogelschutzgebiet "Nördliches Erdinger Moos", sehen den Lebensraum von Kiebitz und Feldlerche gefährdet. Das ist richtig und durchaus nachvollziehbar. Nicht nachvollziehbar ist allerdings die These, wonach die autobahnähnliche Trasse nicht mehr notwendig sei, weil der Trend zu Home-Office und Videokonferenzen gehe, die dritte Startbahn wohl nie gebaut wird und der Verkehr insgesamt abnehmen werde. Schön, wenn es so kommen würde. Aber die schweren Unfälle passieren jetzt, Woche für Woche, und ganz ohne dritte Startbahn. Und die Zahl der zugelassenen Autos allein in diesem Jahr ist um 400 000 gestiegen. Dem Problem mit Carsharing und dem Ausbau des ÖPNV beizukommen, wie der Verkehrsclub Deutschland vorgeschlagen hat, klingt ein wenig verträumt. Mit dem ÖPNV nach Niederbayern zu fahren, das soll mal einer versuchen.

Was also tun? Natur opfern, eine breite Trasse bauen und damit den Lebensraum der Autofahrer und das Leben der Menschen schützen? Oder die Natur schonen und den Lebensraum von Kiebitz und Feldlerche erhalten. Es wird wohl eine Frage der Abwägung bleiben. Anzunehmen ist freilich, dass bei der Planfeststellungsbehörde, das ist die Regierung von Oberbayern, Kiebitz und Feldlerche die schlechteren Karten haben.

© SZ vom 18.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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