Kirchbergers Woche:Nur wer arbeitet, darf gewinnen

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Manche Dinge bewegen sich voll im Zeitplan, sind aber dennoch recht skurril

Von Johann Kirchberger

Mit dem Rad zu Freunden, mit dem Rad in die Innenstadt, mit dem Rad in den Biergarten. So oder so ähnlich hätte man diese Aktion von AOK und ADFC benennen können. Hat man aber nicht. "Mit dem Rad zur Arbeit" heißt es seit dem 1. Mai, und das ist höchst diskriminierend. Denn Schüler, Studenten, Arbeitslose und alle Rentner sind damit automatisch ausgeschlossen, dürfen nicht mitmachen bei dieser bis zum 31. August laufenden Aktion, dürfen nichts gewinnen, weder eine Urlaubsreise noch Fahrradzubehör. Schirmherrin ist Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml; mit ihr sollte mal jemand ein ernstes Wort reden.

Manche Dinge bewegen sich voll im Zeitplan, sind aber dennoch recht skurril. In Neufahrn beispielsweise steht seit einem Jahr eine Traglufthalle. Mitte April ist der Mietvertrag ausgelaufen und jetzt wird sie vereinbarungsgemäß bis Ende Mai abgebaut. So weit alles normal. Doch eigentlich hätten hier einmal Flüchtlinge untergebracht werden sollen, weil die aber plötzlich ausblieben, hat hier kein einziger auch nur einen Tag übernachtet. Die Halle ist also unbenutzt, trotzdem sind Kosten angefallen. Über eine Million Euro will die Betreiberfirma vom Landkreis, der aber will nicht zahlen und deshalb wird die Sache jetzt "gerichtsmassig", wie es in Bayern so schön heißt. Weil der Grundsatz gilt, dass eine bestellte und gelieferte Ware bezahlt werden muss, auch wenn man sie nicht benutzt, darf man jetzt gespannt sein, ob und wie viel die Juristen von der Million herunterhandeln können.

Ob sich auch beim Bau des Hallenbads in Lerchenfeld einmal Juristen ein Zubrot verdienen können, wird man sehen. Zunächst läuft alles wie geschmiert, kürzlich erst ist Richtfest gefeiert worden. Die Ehrengäste mussten zwar einen Seiteneingang benutzen, dafür wurde in zwei Schwimmbecken bereits probeweise Wasser eingelassen. Den Sprung ins kühle Nass wagte aber dennoch keiner, nicht einmal der OB, vermutlich weil das Hineinspringen ohne Badehose strengstens verboten ist. Trotzdem gab es Grund zur Freude, denn draußen regnete es in Strömen und drinnen war genügend Platz, um sich den Richtschmaus im Trockenen munden zu lassen. Das sind eben die Vorzüge eines Hallenbads.

Ganz gleich, ob der Oberbürgermeister einen Torflügel zum Asaminnenhof abbaut oder am Domberg-Südhang mit einem Spaten unterwegs ist, wenn er körperlich arbeitet, spielt die Musik. Begleitet von den Jagdhornbläsern hat er sich diesmal auf dem Domberg um den "blauen Köllner" gekümmert. Das war nicht etwa der betrunkene Trainer des 1. FC Nürnberg, sondern ein Ableger des ältesten Weinstocks der Welt. Dessen Rebe wurde vor 450 Jahren gepflanzt und Bürgermeisterin Eva Bönig hat das "Edelreis" im März von einem Besuch in Slowenien mitgebracht. Jetzt durfte der OB mit seinem Spaten ein Loch graben und mit freundlicher Unterstützung von Stanislaw Kocutar, dem "Wächter des alten Weins", wurde der Ableger feierlich eingepflanzt. So funktioniert Völkerverständigung. Wenn jetzt der Verein für Stadtheimatpflege wie versprochen fest aufpasst und immer brav gießt, dürfte der kleine Rebstock zwar wachsen und gedeihen, ob aber aus den Weintrauben einmal ein guter Wein wird, muss abgewartet werden. Wenn ja, dürfte es sich dabei um einen sehr kostbaren Tropfen handeln. Denn allzu groß dürfte die Ausbeute wohl nicht ausfallen.

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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