Kirchbergers Woche:Nicht nur Gastro, auch Erlebnis

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Von der Eisdiele aus Autos beim Kampf mit der Polleranlage in der Freisinger Innenstadt zuzuschauen, ist eine Attraktion - aber das soll sich jetzt ändern

Kolumne von Johann Kirchberger

Beste Unterhaltung war seit Jahren garantiert, am Samstagvormittag in der Freisinger Innenstadt. Von den Freiplätzen der Eisdiele Garda aus konnte man sie beobachten, jene Zauberer, die unter Missachtung mehrerer Absperrungen bis zur versenkbaren Polleranlage vorgedrungen waren und jetzt unbedingt noch in die Fußgängerzone einfahren wollten. Wenn die Poller für den Stadtbus heruntergefahren wurden, witterten sie ihre Chance, wollten sich dranhängen. Doch meist blieb es beim Versuch, die Poller gingen zu schnell wieder hoch, bohrten sich in das Auto, rissen die Ölwanne auf. Ein Riesenspektakel folgte, Feuerwehr und Bauhof rückten an, fingen das ausgelaufene Öl auf, die Polleranlage war kaputt und das Auto sowieso. Ein teurer Spaß. Und jetzt das. Die Stadt will die Polleranlage in der Unteren Hauptstraße abbauen und irgendwo anders mobile Absperrungen errichten. Die werden aber nichts bringen, so viel ist sicher. Und sicher ist auch, dass die Innenstadt bald um eine Attraktion ärmer ist. Das Gartengeschäft der Eisdiele, so steht zu befürchten, wird spürbar nachlassen.

Dafür entwickelt sich die Obere Hauptstraße langsam aber sicher zu einer Schlemmermeile. Ein Lokal neben dem anderen soll an den Ufern der Moosach entstehen, wird zumindest angekündigt. Jüngst wurden Pläne bekannt, wonach in der einstigen Boutique des technisch beschlagenen Herren, der Eisenhandlung Praetner, ein Feinkostgeschäft mit Bistro eröffnet wird. Vieles ist auch noch in der Planung, die Augustiner-Brauerei will bekanntlich aus der ehemaligen Autowerkstätte Härtinger etwas Großes machen, immer wieder kursieren auch Umbaupläne für den Furtner. Nur der gute alte Karlwirt bleibt wohl weiter geschlossen. Dabei wird gerade diese urige Traditionswirtschaft schmerzlich vermisst.

Lerchenfeld, Freisings größter Stadtteil, ist gastronomisch betrachtet eher unterentwickelt. Den Lerchenfelder Hof gibt es nicht mehr, das Café Maier ist längst Geschichte, soeben hat auch noch das Bräuhaus dicht gemacht. Dafür gibt es in Lerchenfeld viele Kinder, mehr als in der Grundschule Platz haben. Das hat jetzt die Freisinger Stadtverwaltung nach intensivem Nachzählen gemerkt. Und weil auch die vor über 30 Jahren als Provisorium errichteten Pavillons an der Finkenstraße nicht mehr erweitert, sondern allenfalls noch aufgestockt werden können, muss nun vielleicht doch ein Neubau in Erwägung gezogen werden. Aber noch weiß niemand, wohin mit einer solchen Schule und darum werden wohl die Kinder, die jetzt geboren werden, schon bald abgeschoben werden müssen. Vielleicht in den Steinpark.

Dafür können jetzige Grundschüler darauf hoffen, sich irgendwann einmal wie ihre Väter und Großväter in der Neustifter Kultkneipe Abseits vergnügen zu können. Nach einem quälend langen Überlegungs- und Abwägungsprozess, hat der Stadtrat jetzt zumindest beschlossen, das sanierungsbedürftige Gebäude zu kaufen und es dem Verein Abseits zu verpachten. Bis der allerdings alles umgebaut und die Brandschutz-Auflagen erfüllt hat, werden noch einige Jahre ins Land ziehen. Früher hätte man gesagt, wird noch viel Wasser die Isar hinunterlaufen. Aber viel Wasser läuft da ja schon lange nicht mehr.

© SZ vom 24.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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