Kirchbergers Woche:Nicht gerührt, sondern gerüttelt

Lesezeit: 2 min

Warum die Stadt Freising vor der Öffnung der Stadtmoosach ein Erdbeben simuliert

Von Johann Kirchberger

Eigentlich, so stellt sich das der Laie vor, müsste das mit der Moosachöffnung recht einfach sein. Nachdem dereinst auf den Bachlauf ein Deckel gesetzt wurde, könnte man den einfach wieder abnehmen und fertig. Weit gefehlt, die Freisinger Altstadt muss feuerwehrgerecht ausgebaut werden. Heißt, es müssen ausreichend Flächen vorhanden sein, auf denen im Ernstfall Löschfahrzeuge und Drehleitern positioniert werden können. Deshalb soll nun die Moosach verlegt werden, und das birgt Gefahren. Zum einen muss man aufpassen, dass die Leute nicht gleich ins Wasser plumpsen, wenn sie aus den Geschäften kommen. Zum anderen könnten die historischen Häuser wanken, wenn für das neue Bachbett riesige Spundwände acht Meter tief in den Boden gerammt werden. Deswegen wurde diese Woche in der Hauptstraße nicht geschüttelt und auch nicht gerührt, sondern gerüttelt. Sollten die alten Gemäuer das simulierte Erdbeben schadlos überstanden haben, was sich erst in einigen Tagen herausstellen wird, wäre das ein Beweis für die große Kunst der alten Baumeister, die ganz ohne Stahlbeton ausgekommen sind. Dumm wäre es natürlich, wären nach dem Rüttelversuch Häuser einsturzgefährdet. Dann hätte die Innenstadtkonzeption ein Problem.

Gerüttelt wird einmal mehr auch am Bau der Westtangente. Das Vöttinger Bürgerforum klagt jetzt dagegen, dass der Stadtrat trotz ausreichend vorgelegter Unterschriften einen Bürgerentscheid für ein dreijähriges Moratorium nicht zugelassen hat. Weil bereits 14,5 Millionen in das Projekt investiert wurden und eine weitere Verzögerung mit den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit nicht vereinbar sei, wie es hieß. Abgesehen davon, dass sich noch immer viel sparen ließe, würde man den Bau der Westtangente einstellen, stellt sich auch die Frage der Sinnhaftigkeit eines dreijährigen Moratoriums. Denn ob die Nordostumfahrung, sprich die Verlegung der B 301, die Innenstadt einmal derart vom Verkehr entlasten wird, dass die Westtangente überflüssig wird, dürfte sich nicht in drei, sondern vielleicht erst in sechs Jahren herausstellen. Ob der Stadtrat aber einen Bürgerentscheid einfach per Beschluss verhindern darf, hat damit - rein juristisch gesehen - gar nichts zu tun.

Juristisch ungeklärt ist auch, ob es aus datenschutzrechtlichen Gründen in Ordnung ist, dass der Forstbetrieb am Walderlebnispfad Kameras aufhängt und die Waldbesucher fotografiert. Doch wo kein Kläger, da kein Richter. Was aber das Wissen bringen soll, ob nun mehr Jogger, Wanderer, Nordic Walker oder Hundebesitzer in den Wald gehen und wann und bei welchem Wetter, erschließt sich nicht ohne weiteres. Wertvolle Hinweise auf die Nutzerstruktur in den Waldgebieten erhoffen sich die Forscher, um forstliche Maßnahmen und den Jagdbetrieb planen zu können. So steht am Ende der Zählung womöglich die Erkenntnis, dass es aus Gründen der Sicherheit schlecht ist, Bäume zu fällen und Rehe zu schießen, so lange sich Menschen im Wald herumtreiben. Übrigens könnte man die Kameras, wenn sie im Wald nicht mehr benötigt werden, vielleicht an der Bahnunterführung nach Lerchenfeld aufhängen. Dann ließe sich ermitteln, wie viele Menschen die Treppen mit oder ohne Taschen, mit Fahrrädern oder mit Kinderwagen passieren, ob sie im Tunnel die Regenschirme einklappen und ob sie lieber die flachere Beton- oder die steilere Blechrampe nutzen. Bestimmt interessant zu wissen.

© SZ vom 14.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: