Kirchbergers Woche:Lieber keine Warnungen mehr

Lesezeit: 2 min

Warum es gar nicht so gut ist, wenn man immer alles genau weiß

Von Johann Kirchberger

Wann immer irgendwo etwas passiert, wenn etwas brennt oder explodiert, heißt es umgehend von offizieller Seite, für die Bevölkerung bestehe keine Gefahr. Zumindest so lange sie Fenster und Türen geschlossen hält und Ruhe bewahrt. Deshalb war es schon etwas ungewöhnlich, als Bundesinnenminister Thomas de Maizière nach der Absage eines Fußball-Länderspiels in Hannover nicht über die Gründe reden wollte, weil die Bevölkerung dadurch verunsichert werde. Die Bevölkerung, das muss man wissen, hat keinen Mumm in den Knochen.

Nun sind vor einigen Wochen Zerkarien im Pullinger Weiher aufgetaucht. Das sind, haben wir uns sagen lassen, harmlose Saugwürmer, die sich in die Haut von Badegästen bohren und Juckreiz und Rötungen verursachen können. Nicht immer, aber manchmal, vielleicht auch nur ganz selten. Völlig harmlos sei das, in etwa so wie Mückenstiche, meldete das Gesundheitsamt, es bestehe keine Gefahr. Gleichwohl hat die Stadt Freising "aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes" umgehend Schilder aufgestellt und auf die eigentlich gar nicht bestehende Gefahr hingewiesen, was prompt zu einem spürbaren Rückgang der Badegäste geführt hat. Jetzt wurden die Warnschilder wieder abmontiert. Nicht weil die Zerkarien verschwunden sind, sondern weil die Schilder mehr für Verunsicherung als für Aufklärung gesorgt hätten, wie es seitens der Stadt hieß.

Was lernen wir daraus? Auf eine Gefahr hinzuweisen verunsichert nur. Am Pullinger Weiher gibt es ja auch keine Hinweisschilder, wonach ab einer Wassertiefe von 1,5 Meter mit Schwimmbewegungen zu beginnen ist, weil man sonst ersäuft. Zudem sind nirgends Warnungen, wonach die über die Badegäste hinwegdonnernden Flugzeuge Ultrafeinstaubpartikel ausstoßen, die so klein sind, dass sie über die Lunge in die Blutbahn geraten können. Würde jetzt die FMG auf die zugegeben abwegige Idee kommen, diese Partikel zu messen und würden die Bundesregierung oder die EU daraufhin Grenzwerte festlegen, wäre die Verunsicherung in der Bevölkerung natürlich enorm. Passiert aber nicht, keine Angst. Es gibt nämlich gar keine brauchbaren Messgeräte, sagen die Flughafenmanager. Gleichwohl haben sich die Freisinger eines gekauft, die Neufahrner und sogar die Hallbergmooser wollen jetzt auch eines. Denken die gar nicht daran, was sie damit anrichten, wie sie die Bevölkerung verunsichern?

Mit der Stickoxidbelastung in den Großstädten ist das nicht anders. Seit auf die dadurch bestehende Gefahr für die Gesundheit der Menschen aufmerksam gemacht und mit Fahrverboten gedroht wird, besteht große Verunsicherung bei den Käufern von Dieselfahrzeugen. Rote, gelbe und grüne Plaketten warnen vor Dreckschleudern, die mehr oder weniger gefährlich sind. Ob die Autos sauberer werden, wenn es bald blaue Plaketten gibt? Sicher ist das nicht. Deshalb sollte generell auf Warnhinweise verzichtet werden. Auch auf den Zigarettenpackungen. Raucher werden dadurch nur verunsichert. Merke: es ist besser, nicht so genau zu wissen, wie gefährlich wir leben. Eine Gefahr, von der niemand etwas weiß, ist eigentlich nicht existent. Darum wollen wir auch nicht verraten, dass es heute während des Altstadtfests ins Bier regnen könnte. Ein solcher Warnhinweis würde die Bevölkerung nur verunsichern.

© SZ vom 15.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: