Kirchbergers Woche:Jedem Bewerber sein Fass

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Vor jeder Kommunalwahl sollten sich Politiker im Festzelt in einem Anzapf-Wettbewerb messen müssen

Kolumne von Johann Kirchberger

Mein Gott, war das heuer wieder schön, unser Volksfest. Das 90. soll es gewesen sein, je nachdem wann man zu zählen beginnt. Im Mittelpunkt stand das schöne, große Bierzelt, das noch schöner und größer wirkt, seit man nicht mehr rauchen darf und von einem Ende zum anderen schauen kann. Aber, mal ehrlich, irgendwie fehlt er einem, der Zigarillo, den man sich nach ein paar Maß genussvoll anstecken durfte.

Für Kommunalpolitiker und solche, die es werden wollen, sind Volksfeste praktisch. Da kann man sich sehen und in Lederhose oder Dirndl bewundern lassen, sich da und dort in Erinnerung bringen. Als Oberbürgermeister oder Bürgermeister darf man sogar ein Fass anzapfen, was eigentlich unfair gegenüber den Mitbewerbern ist, die das nicht dürfen. Ob deshalb so viele Amtsinhaber wiedergewählt werden? Da wäre es eigentlich schön, wenn vor einer Kommunalwahl ein richtiger Wettbewerb stattfände. Jedem Bewerber sein Fass, jedem seinen Schlegel und los geht's. Oans, zwoa und o'zapft is. Schließlich muss das Wahlvolk sehen, wer sich eignet, die Geschicke der Stadt oder Gemeinde zu leiten.

Allerdings müssten dann die Parteien rechtzeitig ihre Kandidaten benennen. Einige tun sich bei der Suche recht schwer. Volkstümlich soll er sein, etwas auf dem Kasten haben, gut reden können und die Wähler für sich einnehmen. Aber keine Sorge. Gelegenheiten, bekannt zu werden, gibt es noch genug. Die diversen Kirchweihfeste etwa, die Adventsmärkte, Weihnachtsfeiern und nicht zu vergessen die Faschingsbälle. Ein Markus Söder etwa ist durch seine Maskeraden in Veitshöchheim so bekannt geworden, dass er als Ministerpräsident auch von einem Horst Seehofer nicht mehr zu verhindern war. Inzwischen streicht er sich nur noch grün an, reicht ja auch. Leider ist das mit dem Fasching in Freising nicht ganz so einfach, da gibt es kaum noch Maskenbälle. In Moosburg, Hochburg der Faschingsgaudi, ist das anders. Da muss man schon auch ein guter Narr sein, um am 15. März gewählt zu werden. Ein Lederhosen-Auftritt bei der Herbstschau ist zwar Voraussetzung, reicht aber allein nicht aus.

Natürlich gab es auch wieder Schlägereien, das gehört dazu. Kommunalpolitiker scheinen daran nicht beteiligt gewesen zu sein. Zumindest ist diesbezüglich nichts bekannt geworden. Wie auch immer, aus Sicht des Roten Kreuzes ist das Volksfest super gelaufen, nur 19 Personen mussten ins Krankenhaus gebracht werden. Da freuen wir uns doch, schon weil es beim Erdinger Volksfest 25 waren.

Viel gesoffen wurde auch, aber nur individuell, nicht im Kollektiv, weswegen es heuer zwar zu diversen Räuschen, nicht aber zu neuen Rekorden reichte. Der Bierkonsum ging sogar auf 934 Hektoliter zurück, 43 weniger als im Vorjahr. Wenn das so weiter geht, wird beim 100. Volksfest nur noch Wasser und Spezi konsumiert. Nun geht es zum Kampftrinken aufs Oktoberfest. Dort muss man die Maßkrüge schneller leeren, weil die Tische nur stundenweise vergeben werden, und schlechter eingeschenkt wird auch. Scheint aber dem Zustrom auf die Wiesn nichts anhaben zu können, ebenso wenig wie die rekordverdächtigen Preise. Die Welt wird eben immer verrückter.

© SZ vom 21.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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