Kirchbergers Woche:Geplantes Chaos

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Alles wird schön in Freising, alles wird gut. Aber es dauert halt noch ein Weilchen, man soll schließlich nichts überstürzen

Von Johann Kirchberger

Gut Ding will Weile haben. Die Umgestaltung der Freisinger Innenstadt zum Beispiel soll besonders gut werden, darum geht das alles auch nicht so schnell. 2009 wurde damit begonnen erste Pläne zu schmieden, 2011 wurde ein entsprechendes Konzept beschlossen und in den Jahren danach tauchten zunächst Wanderbäume, später Sitzbänke mit wachsenden Weidenruten und schließlich Sitzgruppen aus zusammengenagelten Holzpaletten auf. Im Sommer wurden heuer weitere konkrete Maßnahmen in die Tat umgesetzt. In der Weizengasse und in der General-von-Nagel-Straße wühlten Arbeiter ein wenig im Untergrund, erneuerten diverse Leitungen und verzierten schließlich das Straßenpflaster mit dunklen Asphaltflecken. Ist recht schön geworden, fast könnte man von "Kunst am Straßenbau" sprechen. Aber das Werk ist noch nicht vollendet. Im nächsten Jahr werden die Bürgersteige beseitigt und die Weizengasse für gegenläufig befahrbar erklärt. Das wird zwar für die Anlieger etwas gewöhnungsbedürftig sein, wenn sie von ihrer Haustüre aus unmittelbar auf die Straße treten und es könnte etwas chaotisch zugehen, weil an manchen Stellen zwei Autos nicht aneinander vorbeikommen. Doch dieses Chaos ist gewollt und soll davon abhalten, in so eine chaotische Stadt zu fahren. Großbaustellen, die Straßenflächen mit in Anspruch nehmen, wie vor dem ehemaligen Bavaria-Kino, demnächst auch vor dem Asamkomplex und vielleicht schon bald rund um den Furtnerbräu, dürften das Chaos vervollständigen und wenn dann erst einmal begonnen wird, das gesamte Pflaster in der Altstadt auszutauschen und die Moosach zu öffnen, ist es perfekt. Die Einführung einer Fußgängerzone im Bereich Marienplatz in einigen fernen Jahren dürfte deshalb völlig unproblematisch vonstatten gehen, denn nur noch die älteren Freisinger werden sich dann noch daran erinnern können, dass in der Innenstadt, außer mit großen Bussen, auch einmal mit Autos gefahren werden konnte. Alles wird schön in Freising, alles wird gut. Aber es dauert halt noch ein Weilchen, man soll schließlich nichts überstürzen.

Schneller als man gemeinhin glaubt, könnte dagegen das Bargeld abgeschafft werden. Ja nicht einmal mit EC- oder Kreditkarten soll in einigen Jahren noch bezahlt werden, sondern mit dem Finger. Den legt man dann nur noch auf ein digitales Lesegerät und Schwupps ist die Rechnung beglichen. In einem Geschäft in der Freisinger Innenstadt ist dies bereits heute möglich, weitere werden folgen. Ob die Bevölkerung dabei so ohne weiteres mitmacht, darf allerdings bezweifelt werden. Denn Voraussetzung ist dem Vernehmen nach, dass man sich einen Chip in den Finger implantieren lässt. So ähnlich etwa, wie man das heutzutage mit einem Hund macht, damit er seinem Herrchen zurückgebracht werden kann.

Ein Finger reichte am vergangenen Samstag nicht, da brauchte es schon zwei Hände um beim Kirchweihmarkt im Hofbrauhaus seine Ente mit Blaukraut, Knödel und Soße vom Verkaufsstand einen Berg hinauf zu tragen. Nun gut, die meisten schafften es, ihren Teller unfallfrei und ohne einen Knödel zu verlieren in die zum Festsaal umgebaute neue Leerguthalle zu transportieren. Schon erstaunlich. Dafür war nach dem Verzehr des Bratens der Abstieg mit dem Pfandteller und den abgefieselten Knochen leichter zu bewerkstelligen. Zumindest für jene, die dem Festbier nicht allzu sehr zugesprochen hatten.

© SZ vom 24.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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