Kirchbergers Woche:Frittenduft aus der Turbine

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Bratfett soll bald Kerosin ersetzen, damit das Fliegen umweltfreundlicher wird

Kolumne von Johann Kirchberger

Die Leute wollen wieder fliegen, nicht die Treppe runter, sondern durch die Lüfte, sagen Lufthansa- und Flughafenchefs. Aber warum nur? Weil es so bequem ist, sich stundenlang in einen engen Sitz zu quetschen, Arm an Arm mit einem bis dato unbekannten Menschen, von dem man nicht weiß, welche Virusmutante er gerade veratmet? Weil die Freiheit über den Wolken grenzenlos ist oder weil es so ein erhabenes Gefühl ist, wie Polykrates von oben herab auf das untertänige Volk zu blicken? Weil es so schön ist, möglichst weit weg von seinem ungeliebten Zuhause zu sein? Weil sich der Sand an einem Badestrand in Thailand so viel angenehmer anfühlt als der im nahen Italien? Ist es so aufregend, sich ein Schnitzel am Pool einer Hotelanlage in der Türkei servieren zu lassen? Oder wollen die Leute nur fliegen, weil sie es können, besser gesagt, weil sie es sich leisten können?

So genau weiß man das nicht. Man weiß ja auch nicht, warum sich so viele Freisinger so gerne an einem Weiher oder an der Isar in der prallen Sonne auf einen kiesigen Untergrund legen, obwohl sie es sich daheim auf einer weichen Liege im Schatten bequem machen könnten. Das sind eben die Rätsel des Alltags.

Klar ist jedoch, dass Luftfahrtgesellschaften und Flughäfen ein gesteigertes Interesse daran haben, möglichst viele Menschen zu Billigtarifen möglichst weit durch die Gegend zu fliegen. Der Staat hilft großzügig mit, greift Autofahrern und Bahnreisenden in die Taschen, lässt aber Flugbenzin unversteuert. Sonst um jeden Euro froh, den er den Bürgern abnehmen kann, subventioniert er die Fliegerei in Milliardenhöhe. Das führt dazu, dass eine Bahnfahrt von Regensburg nach München teurer ist als eine Flugreise vom Erdinger Moos nach Paris. Nun aber - Überraschung - scheint sich ein Umdenken breitzumachen. Die Europäische Kommission erwägt von 2023 an eine Steuer auf Flugbenzin einzuführen. Da schau her, die EU. Allerdings müssten sich alle 27 Mitgliedsstaaten einig sein. Und irgendein Ungarn gibt es immer.

Seit Jahren fordern Bürgerinitiativen die Einführung einer Kerosinsteuer, um eine Gleichbehandlung mit anderen Verkehrsträgern herzustellen und die Zahl der Flüge zu reduzieren, die Anliegern Lärm und Abgase bescheren. Nun sieht sich die EU zum Handeln gezwungen, will Klimaziele nicht nur stecken, sondern auch erreichen. Bis 2030 sollen die Kohlendioxid-Emissionen um 55 Prozent gesenkt werden.

Bei der Luftverkehrsbranche stößt eine Kerosinsteuer natürlich einhellig auf Ablehnung. Weil die EU diese Steuer nur auf ihrem Gebiet einführen könnte, hätten nichteuropäische Drehkreuze, etwa in der Türkei und im Nahen Osten, klare Wettbewerbsvorteile, wird gejammert. Dass man selbst durch die Nichtbesteuerung von Flugbenzin seit Jahren Wettbewerbsvorteile gegenüber Auto und Bahn genießt, wird verdrängt. Deshalb erzählen uns Lufthansa und andere Protagonisten auch jetzt wieder, was sie schon immer behaupten. Man werde sich bemühen, bald umweltfreundlich zu fliegen. Bis 2050 wolle man klimaneutral sein, durch nachhaltig produziertes oder synthetisch hergestelltes Kerosin. Bratfett etwa, so ein interessanter Vorschlag, könnte dem Flugbenzin beigemischt werden. Das wär doch was, wenn es rund um das Erdinger Moos plötzlich riechen würde wie in einer Frittenbude.

© SZ vom 10.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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