Kirchbergers Woche:Endlich auf die Uhr schauen

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Vielen Freisingern ist der Klimaschutz ein Anliegen, doch die Politik tut zu wenig

Kolumne von Johann Kirchberger

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass diese Regierung nichts zuwege bringt, ist der jetzt erbracht. Während bundesweit mehr als eine Million überwiegend junge Menschen auf die Straßen gegangen sind, darunter 1800 in Freising, und für wirksamen Klimaschutz demonstriert haben, jetzt und sofort und nicht erst in 20 oder 30 Jahren, hat die Bundesregierung kraftlos und angstvoll ein Klimapaket geschnürt, mit Maßnahmen, die möglichst niemandem weh tun sollen und schon deshalb nichts bewirken werden.

Was sollen zehn Euro CO₂-Steuer, wenn selbst eigene Gutachter mindestens 50 fordern? Und noch dazu erst von 2021 an? Wenn das Benzin um drei Cent teurer wird, dürfte dies kaum jemand davon abhalten, weiter bevorzugt Auto zu fahren. Wenn Flugtickets sich um vier Euro verteuern, wird sich kaum jemand davon abbringen lassen, sich demnächst wieder in Mallorca einen Rausch anzusaufen. Und glaubt diese Regierung wirklich ernsthaft, dass die Bundesbürger alle in den Zug einsteigen, nur weil für Bahnfahrkarten ein geringerer Mehrwertsteuersatz gezahlt werden muss?

Nein, die Politiker in Berlin haben den Schuss nicht gehört. Sie diskutieren lieber und wollen das jetzt jedes Jahr aufs Neue tun, statt zu handeln. Es werden Ziele formuliert, von denen jeder weiß, dass die nie und nimmer eingehalten werden können. Entscheidungen, die etwas bringen könnten, werden möglichst lange hinausgeschoben. Der Kohleausstieg etwa ist für 2038 geplant, ein Verbot für den Einbau neuer Ölheizungen soll 2026 kommen. Über Gas, obwohl auch fossiler Brennstoff, wird gar nicht gesprochen.

Auch in Freising tut sich wenig. Ein Klimabeirat soll eingerichtet und dem Klimaschutz höchste Priorität eingeräumt werden, ja sogar der Klimanotstand, was immer das bedeuten mag, soll ausgerufen werden. Alles schön und gut, heißt aber nichts anderes, als weiter nichts zu tun, nur zu reden, zu überlegen und über Maßnahmen nachzudenken. Die Freisinger SPD fordert sogar, gleich ihrer Oberen in Berlin, eine sozial ausgewogene Klimapolitik. Niemandem wehtun eben.

Wo bleiben die konkreten Vorschläge? Beispielsweise könnte die Stadt es endlich erlauben, dass auch im Zentrum Fotovoltaikanlagen auf die Dächer dürfen, Denkmalschutz hin oder her. Wenn 2026, vielleicht auch etwas später, tatsächlich ein Verbot von Ölheizungen kommen sollte, müsste dann die Stadt nicht vorsorgen? Ein flächendeckendes Fernwärmenetz errichten, an das nicht nur die Häuser an der Hauptstraße und einige Großbetriebe angeschlossen werden können, sondern jedes Haus in Freising? Das wäre ganz schön teuer, wird es heißen. Stimmt, aber der Bau einer Westtangente und die Neupflasterung der Innenstadt sind auch ganz schön teuer.

Die Freisinger Bevölkerung, mit Ausnahme einiger chronischer Ignoranten und Bedenkenträger, hat längst erkannt, dass es in Sachen Klimaschutz nicht mehr fünf Minuten vor, sondern bereits fünf Minuten nach zwölf ist. Lautstark und entschlossen gehen Menschen auf die Straßen und fordern Taten. Die Politiker, auch unsere Kommunalpolitiker in Freising, sollten endlich einmal auf die Uhr schauen.

© SZ vom 28.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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