Kirchbergers Woche:Eine Stadt im Aufbruch

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Ständig wird irgendwo irgendetwas abgerissen und neugebaut - und auch im Rathaus will man Freising voranbringen

Von Johann Kirchberger

Auch wenn manche Bausünden unübersehbar sind, viele Besucher Freisings loben die erhalten gebliebenen Fassaden der alten Bürgerhäuser in der Altstadt und den historischen Stadtkern. Nur selten allerdings ist der Blick auf das Ensemble völlig ungetrübt. Dafür sorgen Großbaustellen in und an der Hauptstraße, der knapp einen Kilometer langen Flaniermeile der einstigen fürstbischöflichen Residenzstadt. Zurzeit wird ein ehemaliges Kino zu einem Modehaus umgebaut, ein großer Kran und ein Bauzaun, der die Hälfte der Straße einnimmt, sind Störfaktoren im Auge des Betrachters. Am unteren Ende der Hauptstraße sind es aufgerissene Fahrbahndecken und viele rot-weiße Warntafeln, die Missfallen auslösen. Nun gut, solche Baustellen sind nicht von Dauer, sie kommen und gehen. Aber sie verschwinden nicht, sie ziehen nur weiter.

Wenn im Herbst die Einfahrt in die Untere Hauptstraße umgebaut ist, soll in der Oberen Hauptstraße weitergegraben werden, wenn der Bauzaun vor dem ehemaligen "Bavaria" verschwunden ist und den Blick auf das neue Modehaus frei gibt, wird rund um das Asam-Gebäude ein neuer Bretterverschlag errichtet, werden neue Kräne aufgestellt. Teile des Marienplatzes sollen sogar als Baulager genutzt werden. Einige Jahre lang. Und wenn einmal die Pflasterung und der niveaugleiche Ausbau der Hauptstraße samt Öffnung der Moosach abgeschlossen sein sollte, ist dann Ruhe? Nein, bestimmt nicht. Irgendwo wird immer irgendetwas um- und neu gebaut, ab- und aufgerissen. Freisings Altstadt ist eben kein Museum und daher dem ständigen Wandel unterworfen. Das gilt für Straßen und für die Häuser der Menschen. Da lassen sich Baustellen, auch wenn sie noch so sehr stören und nerven, nicht verhindern.

Nicht verhindern lassen sich wohl auch die Bestrebungen von Kommunen, irgendetwas zu werden. Das gilt für den Landkreis, der Gesundheits- und Bildungsregion werden will, das gilt für die Kreisstadt, die zwar schon Universitätsstadt, Bierstadt, Rosenstadt, Fair-Trade-Stadt und sonst was ist, nun aber auch noch den Titel "Fahrradfreundliche Kommune in Bayern" anstrebt. Vergeben wird diese Auszeichnung, das wird jetzt niemanden wirklich wundern, von der bayerischen Staatsregierung. Voraussetzung ist dafür unter anderem die - bereits beantragte - Mitgliedschaft in der "Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern e. V.", kurz AGFK. Außerdem braucht es dazu ein Gesamtkonzept zur Verbesserung der "nichtmotorisierten Mobilität" und es wird die Einstellung eines Radverkehrsbeauftragten gefordert. Viele Radler, die täglich auf den Straßen Freisings unterwegs sind, werden sich zwar angesichts der Radwegesituation über die Chuzpe wundern, als fahrradfreundlich eingestuft werden zu wollen. Aber für eine solche Auszeichnung braucht es ja nicht unbedingt bauliche Veränderungen, es reichen ein schönes Konzept, ein Kümmerer, einige Striche auf den Straßen und neue Fahrradständer. Und lohnend ist der Titel "Fahrradfreundliche Kommune" allemal. Schließlich richtet das Innenministerium in solchen Musterstädten eine Radzählstation ein, mit der - ganz toll - Radverkehrsbewegungen "vor Ort" dauerhaft erfasst werden können. Und von der AGFK gibt es Werbepakete mit zwei Beachflags, einem Roll-Up und einer Werbefahne - was immer das alles sein mag. Und Give-aways gibt es auch, außerdem Flyer und Broschüren. So etwas muss eine Stadt, die etwas auf sich hält, natürlich unbedingt haben. Koste es, was es wolle.

© SZ vom 02.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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