Kirchbergers Woche:Der Not keinen Schwung lassen

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Warnungen der Kämmerer über steigende Schulden verhallen ohne Wirkung

Von Johann Kirchberger

Von einer Zeitenwende ist die Rede, vom Ende Amerikas, ja sogar vom Ende der Welt. Nur weil da ein Rüpel zum US-Präsidenten gewählt worden ist. Ob es nun an Donald Trump liegt oder an den dunklen, kalten Novembertagen, auch in der Stadt Freising hat sich irgendwie Trübsinn breit gemacht. 2017 werde das letzte gute Jahr, hieß es bei den Haushaltsberatungen. Ja und dann? Dann sind alle Rücklagen aufgebraucht und die Stadt könnte gezwungen sein, neue Schulden aufzunehmen, um all die schönen Projekte zu realisieren, die sie sich aufgehalst hat. Westtangente bauen, Asamtrakt sanieren, Innenstadt umgestalten, neue Schulen und Kinderstätten errichten und was sonst noch alles dazu kommt. Alles Pflichtaufgaben, wird gejammert. Mehr geht nicht mehr, sagt auch der OB, und einige Stadträte wollen schon wieder alle freiwilligen Leistungen überprüfen, möglicherweise auch Gebühren und Abgaben erhöhen. So wie immer halt, wenn in der Schatulle der Boden durchscheint. Da ist schon jetzt klar, dass es nichts wird mit einem Kredit an den Abseitsverein oder gar mit einem Kauf der Neustifter Kult- und Kultur-Gaststätte. Auch nicht, wenn der Otti Fischer mit seinem ganzen Gewicht anschiebt.

Was auffällt, sind die Parallelen zur Stadt München. Auch dort hieß es bei den Haushaltsberatungen, 2017 werde man gerade noch einmal ohne neue Schulden auskommen, danach seien die Ersparnisse aufgebraucht. Dabei liegt es in München wie in Freising nicht an den fehlenden Einnahmen, die Steuerquellen sprudeln, es sind die Ausgaben für teure Infrastrukturmaßnahmen, die ungebremst zunehmen. Und es sind die Wünsche der Stadträte, die trotz aller Warnungen der Stadtkämmerer nicht weniger werden.

Jüngstes Beispiel dafür ist die Forderung der Freisinger ÖDP, eine halbe Stelle für einen Fahrradbeauftragten zu schaffen. Schön und gut. Aber was soll der tun? Dass Radwege fehlen, weiß man auch so, aber ohne Geld wird man keine neuen bauen können. Es sei denn, das mit der Neuverschuldung ist nicht ganz so schlimm, wie getan wird.

Die geringsten Steuereinnahmen von den Großgemeinden im südlichen Landkreis hat Neufahrn. Trotzdem will man auch hier der Not keinen Schwung lassen und mit der Zeit gehen. Deshalb wurde jetzt ein Infoterminal auf dem Marktplatz errichtet. Auf einem Riesen-Touchscreen müssen die Bürger nur ihre Hand auflegen - was einst Bischöfen vorbehalten war - und schon landen sie auf der Homepage der Gemeinde. Da erfährt der interessierte Neufahrner dann, dass die Gemeindebibliothek vom Kultusministerium mit dem Gütesiegel "Bibliotheken - Partner der Schulen" ausgezeichnet wurde oder die öffentliche Toilette vorübergehend geschlossen ist. Die Homepage der Gemeinde ließe sich natürlich auch mit einem Smartphone oder iPhone oder sonst was aufrufen. Aber wer tut das schon im Alltagsleben. Früher gab es einen Schaukasten, in dem wichtige Termine und amtliche Bekanntmachungen hingen. Aber dafür hat sich auch damals schon kaum jemand interessiert.

In Freising gibt es noch kein Infoterminal, da versucht man mit Broschüren an die Bürger heranzukommen. Das neueste Heft beschäftigt sich mit dem richtigen Umgang mit Stadttauben und erklärt, warum die Stadt ein Taubenverfütterungsverbotsgesetz erlassen hat. Ob ein altes Mutterl, das in bester Absicht Brotreste an Tauben verteilt, sich die Broschüre im Rathaus holen und lesen wird?

© SZ vom 19.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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