Kinderehen:Noch keine 16 und schon verheiratet

Lesezeit: 3 min

Auch im Landkreis Freising wird das Jugendamt auf zwei Kinderehen aufmerksam, beide Paare stammen aus Syrien. Die Behörden stehen vor der schwierigen Frage, wie sie damit umgehen, ohne den Mädchen zu schaden

Von Clara Lipkowski, Freising

Während die einen monatelang verzweifelt das richtige Kleid suchen und das rauschende Fest herbeisehnen, werden andere nicht einmal um ihre Zustimmung zur Hochzeit gefragt. Zwei Mädchen, denen es so ergangen ist, leben derzeit im Landkreis Freising. Sie wurden in ihrer Heimat Syrien verheiratet, da waren sie noch keine 16 Jahre alt. Seit vergangenem Jahr wohnen sie hier. In der Regel wird das Jugendamt durch Asylhelfer auf sie aufmerksam.

Kinderehen sind selten in Deutschland - etwa 1500 registrierte Fälle gibt es laut Ausländerzentralregister. Durch den Zuzug von Flüchtlingen war deren Zahl gestiegen. Mit den zwei Fällen im Landkreis beschäftigt die Behörden nun auch hier die Frage, wie mit Kindern, die im Heimatland rechtmäßig verheiratet wurden, umzugehen ist. In Deutschland werden Ehen mit 18, in Ausnahmefällen mit 16 Jahren anerkannt. Sollten Ehen eingereister Minderjähriger annulliert werden? Würde eine Trennung den jung Verheirateten eher schaden? Noch hat der Landkreis kein einheitliches Vorgehen festgelegt und entscheidet über jeden Fall einzeln.

Die beiden jungen Ehepaare in Freising seien im vergangenen Jahr eingereist, sagt Arabella Gittler-Reichel, Leiterin des Jugendamts. Nach Bekanntwerden des Familienstands der Mädchen bekamen beide vom Amt einen Vormund. Der übernimmt die elterlichen Aufgaben, sorgt dafür, dass die Mädchen angemessen untergebracht sind, Deutsch lernen, zur Schule gehen können und zur Not vom Ehemann getrennt werden, denn dies sei nicht immer auszuschließen, sagt Gittler-Reichel.

In vielen Ländern ist der Grund für die frühe Heirat finanziell bedingt: Ist die Tochter unter der Haube, hat nicht mehr die eigene Familie, sondern traditionell die des Bräutigams für sie zu sorgen. In anderen Fällen erhoffen sich die Familien, die ihre Kinder in ein anderes, sichereres Land schicken, körperlichen Schutz für die gefährliche Flucht.

Ob eine Ehe anerkannt wird, hänge nicht nur vom Alter und den Ergebnissen von Vier-Augen-Gesprächen mit den Beteiligten ab, sondern auch davon, welche Dokumente die jungen Eheleute vorweisen können und ob diese zeigen, dass die Ehe in der Heimat rechtmäßig geschlossen wurde, sagt Gittler-Reichel. Doch auch dann sei eine Anerkennung nicht die Regel. Ehen Jugendlicher zwischen 14 und 16 Jahren würden meist nicht akzeptiert. "Hier wäre eine größere Rechtssicherheit aber sehr hilfreich", sagt sie. Auch die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, Petra Lichtenfeld, ist unzufrieden mit der unklaren Gesetzeslage. "Eigentlich dachte ich, wir hätten das Thema Kinderehen schon überwunden", sagt sie. Um den Umgang zu vereinfachen, sei das Thema auf Wunsch von Landrat Josef Hauner bei einem Runden Tisch zur Sprache gekommen, mit dem Ziel, ein einheitliches Vorgehen unter den zuständigen Ämtern zu vereinbaren.

Um die Mädchen nicht zu gefährden, gibt das Jugendamt keine Informationen heraus, die Rückschlüsse auf sie zulassen. "Es geht um das Kindeswohl", sagt die Jugendamtsleiterin. Ein Gespräch mit den Vormündern und den Mädchen selbst war deshalb nicht möglich.

Unter den Flüchtlingshelfern und islamischen Institutionen im Landkreis stößt die Kinderehe auf Ablehnung. Imam Malik Usman Naveed aus der Neufahrner Al-Mahdi Moschee der Ahmadiyya-Gemeinde sagt: "Unsere Muslime sollen dem Koran folgen. Aber genauso sollen sie den deutschen Gesetzen folgen." Somit seien Kinderehen schlicht nicht hinnehmbar. Auch Teresa Degelmann, Flüchtlingskoordinatorin in Freising, lehnt Kinderehen prinzipiell ab. Für sie aber ist klar: "Da die Betroffenen jeweils im Kulturkreis ihrer Heimatländer verheiratet wurden, muss man deren Situation nehmen wie sie ist." Voreingenommen zu urteilen, helfe überhaupt nicht. Wichtiger sei es, zu helfen - vor allem, wenn die Eltern der Kinder nicht in der Nähe sind. "Damit sie die Schule zu Ende machen und vielleicht doch noch etwas Kind bleiben oder wieder werden können", findet sie. Ismet Ünal von der Islamischen Gemeinde in Freising hält es ebenfalls für falsch, Kinder zu verheiraten. "Wir sind schon dafür, dass Menschen in den Zwanzigern heiraten", sagt er, Kinder und Jugendliche seien aber meist noch nicht bereit für die Ehe. Trotzdem plädiert er dafür, bestehende Kinderehen nicht einfach aufzulösen, sondern mit den Eheleuten zu reden. "Sollten sie doch geistig reif für die Ehe sein, sollte es so belassen werden. Eine Trennung könnte eine weitere Katastrophe bedeuten, weil die Ehe auch Schutz bietet."

© SZ vom 25.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: