Kein Kavaliersdelikt:Detektivarbeit gefragt

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In diesem Jahr hat die Freisinger Polizei bisher 740 Fälle von Fahrerflucht registriert, nur etwa ein Drittel davon kann aufgeklärt werden. Wenn dies gelingt, blühen dem Unfallverursacher zum Teil hohe Strafen

Von Laura Dahmer, Freising

Es ist mehr als ärgerlich: Man kommt mit den Einkäufen aus dem Supermarkt, steuert auf sein Auto zu und öffnet den Kofferraum. Plötzlich stechen einem rote Streifen auf dem schwarzen Lack ins Auge, der Kotflügel am Hinterreifen ist eingedrückt. Weit und breit ist kein Schuldiger zu sehen, auch unter dem Scheibenwischer klemmt kein Zettel mit Telefonnummer. Unfälle mit Fahrerflucht sind für die Polizei in Freising beinahe tägliches Brot. 740 Fälle wurden in diesem Jahr bisher im Landkreis gemeldet.

Bei der Verkehrspolizeiinspektion Freising gibt es eine Abteilung für Unfallfluchtfahndung, die für die Landkreise Freising, Erding und Ebersberg zuständig ist und aus drei Beamten besteht. Wie die arbeiten, erklärt Hauptkommissar Thomas Jungmann am Beispiel des fiktiven Falls vor dem Einkaufsmarkt. "Nachdem der Geschädigte zur nächsten Dienststelle gekommen ist, wird der Unfall dort vom Beamten aufgenommen." Beim Unfallverursacher notiert der Beamte den Vermerk "Unbekannt" und führt alle vorhandenen Hinweise auf. Kommt die Polizei damit nicht weiter, wird die Meldung an die Unfallfluchtfahndung der Verkehrspolizei weitergeleitet.

Auch ohne Zeugen bleiben den Beamten Möglichkeiten zur Aufklärung: "Die untersuchen dann den Lackabrieb am Unfallauto und zum Beispiel das Glas eines Scheinwerfers, das am Tatort gefunden wurde", beschreibt Jungmann das Vorgehen. Auf dem Glas sind Zahlen eingeprägt, die Nummer des Fahrzeugteils. "Damit lässt sich herausfinden: Es handelt sich um einen roten Ford Escort, Baujahr 1979 bis 83. Über sogenannte Tabellierbänder können die Kollegen dann einsehen, wie viele Exemplare davon im Landkreis zugelassen sind."

Dann beginne die Sisyphusarbeit: Die Autos werden einzeln abgeklappert und auf Spuren überprüft. An wem diese Arbeit hängen bleibt, entscheidet der Unfallfluchtfahnder. "Die Kollegen sind nur zu dritt. Bei einem Unfallschaden von 50 Euro werden sie keine 250 Autos überprüfen", stellt der Verkehrspolizist fest. Der Fall gehe dann zur Weiterbearbeitung zurück an den Sachbearbeiter der Dienststelle, die den Unfall aufgenommen hat. So würde man laut Jungmann in einem solchen Fall vorgehen.

Die Gründe für Fahrerflucht sind laut Polizeihauptkommissar Michael Ertl von der Dienststelle in Freising vielschichtig: "Einerseits ist das sicherlich die Panik im ersten Moment, andererseits wollen sich auch viele den Aufwand sparen, wenn sie sich unbeobachtet fühlen." Sie hätten Angst vor finanziellen Konsequenzen und einer Hochstufung in der Versicherung. Es könne aber auch vorkommen, dass der Verantwortliche den Unfall schlicht nicht bemerkt hat. "Das kann aber auch immer eine Schutzbehauptung sein", stellt Ertl fest.

Wird der flüchtige Fahrer gefunden, werden solche Aussagen von der Staatsanwaltschaft überprüft. Stellt sich das dann als unwahrscheinlich heraus, blühen dem Fahrer höhere Strafen: "Neben der Hochstufung in der Versicherung droht eine Geldstrafe, in härteren Fällen auch Freiheitsentzug", schildert der Hauptkommissar.

Denn bei Unfallflüchtigen handelt es sich nicht immer nur um Parkplatzrempler. Michael Ertl denkt da an einen besonders schweren Fall, der einige Jahre zurückliegt: "Auf einer Verbindungsstraße zwischen Haag und Zolling wurde ein Fußgänger überfahren, der Täter ist geflüchtet." Der Autofahrer konnte überführt werden und musste sich vor Gericht verantworten. Auch Thomas Jungmann kann sich an den Todesfall erinnern: "Bei solchen Fällen arbeiten Unfallfluchtfahnder und örtliche Dienststelle zusammen an der Aufklärung."

Generell kann sich die Aufklärung bei Unfallflucht schwierig gestalten, oft fehlen die Hinweise. Mit einer Quote von 37 Prozent konnte die Polizeiinspektion Freising in diesem Jahr etwa jeden dritten Flüchtigen finden. Wichtig sind dabei Zeugenaussagen: "Wer einen Unfall beobachtet, sollte schnell Datum, Uhrzeit, Tatort, Kennzeichen und alles Weitere notieren und dann die 110 anrufen", erklärt Hauptkommissar Jungmann.

Und wie hätte sich der fiktive Parkplatzrempler richtig verhalten? "Er muss eine angemessene Zeit am Unfallort auf den Fahrzeughalter warten. Wenn niemand kommt, muss er die Polizei benachrichtigen, die dann den Unfall und Personalien aufnimmt. Ein Zettel unter dem Scheibenwischer allein reicht nicht."

© SZ vom 04.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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