Kartoffeln unter Leuchtstofflampen:Ein Feld, zwei Einnahmequellen

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Ob eine Fläche wirtschaftlich doppelt genutzt werden kann, wird derzeit unter der Pergola aus ausrangierten Leuchtstofflampen an der Hochschule Weihenstephan -Triesdorf untersucht. Vesselinka Koch ist überzeugt von der Idee. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf testet, wie auf der gleichen Fläche Gemüse angebaut und Strom erzeugt werden kann. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend

Von Peter Buchholtz, Freising

Auf dem Gelände der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf wachsen Kartoffel-Pflanzen unter einer Pergola aus ausrangierten Leuchtstofflampen. Doch die Kartoffeln werden nicht etwa von den Röhren angestrahlt. Vesselinka Koch untersucht seit 2014 das Verhalten verschiedener Pflanzen unter den Glasröhren, die nach ihrer Vision zukünftig Träger von Fotovoltaik-Technologie sein sollen. Bisher handelt es sich bei der Anlage um einen Prototypen, die Leuchtstofflampen sind Dummys, die lediglich den Schatten simulieren sollen, den auch die kreisrunden Fotovoltaik-Elemente werfen würden.

Vesselinka Koch kämpft gegen Windmühlen, obwohl sie nicht in der Windkraft-, sondern der Fotovoltaik-Wirtschaft tätig ist. Mit ihrer Beraterfirma betreut die 61-Jährige Unternehmen aus der Branche, außerdem ist sie Sprecherin der Garchinger Initiative "Agenda 21", die sich für Klimaschutz und die künftige nachhaltige Entwicklung Garchings einsetzt.

Die Windmühlen, gegen die sie kämpft, kommen aus China, von wo aus der deutsche Markt mit billiger Technologie überschwemmt wurde; die Windmühlen begegnen ihr in Form des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), das bis vor Kurzem den Bau von sogenannten Freiflächenanlagen auf Äckern und Wiesen untersagt hat. Erst seit Anfang Juni dürfen Solarparks in Bayern wieder auf diesen entstehen, solange es sich um "landwirtschaftlich benachteiligte Gebiete" handelt, so die Verordnung der Staatsregierung. 18 Freiflächenanlagen sind seither genehmigt worden.

In den Gärten der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf hat das Verbot kreativ gemacht, schon vor Jahren wurde dort weiter gedacht. Warum die fruchtbaren Böden unter der Freiflächenanlage verschwenden? Warum die Felder nicht bestellen und gleichzeitig Energie gewinnen? 2010 wurde auf dem Gelände am Staudengarten die Idee einer doppelten Bewirtschaftung geboren, die sogenannte Agro-Fotovoltaik. Über 120 000 Euro hochschuleigene Mittel wurden in die erste Testanlage gesteckt, bei der die rechteckigen Fotovoltaik-Module in 3,5 Meter Höhe hängen.

"Wir wollen darunter Landwirtschaft kultivieren und gleiche Erträge haben", sagt Michael Beck vom Institut für Gartenbau. Chinakohl hätten sie beispielsweise schon unter der Anlage angebaut, "mit 20 Prozent weniger Ertrag als bei der Vergleichsfläche daneben", sagt Beck. Gleichzeitig bringe die 450 Quadratmeter große Fläche aber einen Energieertrag von 27 000 Kilowattstunden pro Jahr, das bedeutet umgerechnet rund 5500 Euro Einsparung beim Stromverbrauch. Von 25 Jahren müsse man also bei der Anlage ausgehen, rechnet Beck vor, bis sie sich amortisiert habe - ohne Zins und Zinseszins. Die Module neigen sich computergesteuert und stehen, für jeden Kalendertag exakt berechnet, optimal zur Sonne.

Der zweite Prototyp auf der östlichen Fläche der Anlage war dagegen praktisch umsonst. Die mit ausrangierten Leuchtstoff-Modulen, den Dummys, und auf alten Holzpflöcken aufgebaute Anlage ist für Vesselinka Koch ein Symbol für die simple und zugleich wirkungsvolle Idee. "Wir haben die Module ganz spontan oben drüber gebaut", erzählt sie. Zum Vergleichszweck stehen neben den Kartoffelpflanzen im Zentrum des Aufbaus weitere am Rand und abseits der Pergola, die täglich exakt die gleiche Menge Wasser erhalten. Offensichtlich ist: Die vier Paletten unter der Pergola, die ganztägig im Halbschatten stehen, sind deutlich höher gewachsen und sehen gesünder aus. Ob auch die Kartoffeln unter der Erde besser wachsen, wird sich bei der Ernte zeigen.

Ursprünglich hatte Vesselinka Koch Gäste aus Industrie und Forschung zum fünften "Munich Photovoltaic Industry Forum" nach Freising eingeladen. Weil insbesondere die Anmeldungen aus der kriselnden Industrie ausblieben, wurde das Forum kurzfristig abgesagt und stattdessen ein Rundgang mit etwa einem Dutzend Teilnehmer über die Anlagen in Weihenstephan organisiert.

"Die Idee ist in Deutschland geboren. Das ist eine sehr vereinfachte Sache, die muss nicht in China gebaut werden", kommentiert Vesselinka Koch den Prototypen. Seit drei Jahren läuft der Versuch, bei dem es ihr vor allem um eines geht: Den deutschen Fotovoltaik-Markt wiederzubeleben. Dazu hat sie eigens das Motto "Make the Photovoltaic in Germany and Europa great and competitive again!" erschaffen, das sie unermüdlich wiederholt.

Ob die Industrie nach Deutschland zurückkehren wird? Die Teilnehmer aus Forschung und Industrie glauben nicht recht an den Produktionsstandort Deutschland, wenn es um Fotovoltaik geht, das wird in den Diskussionen deutlich. An die Technik und deren Nutzen in der Zukunft dagegen schon.

© SZ vom 07.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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