Jugendhilfe im Landkreis:Mehr Betreuungsbedarf in der Schichtarbeiterregion

Lesezeit: 2 min

Nach zwölf Jahren, in denen sich viel geändert hat, wird der Jugendhilfeteilplan des Landkreises jetzt fortgeschrieben

Von Peter Becker, Freising

Im Jahr 2006 hat das Jugendamt des Landkreises Freising zum letzten Mal den Jugendhilfeteilplan zur Kindertagesbetreuung erstellt. In den zwölf Jahren, die seitdem vergangen sind, hat sich viel getan. Deshalb erteilte der Jugendhilfeausschuss des Kreistags jetzt der Planerin Daniela Mertl den Auftrag, den Jugendhilfeteilplan fortzuschreiben.

Wie Daniela Mertl feststellte, ist die Zahl der Kinder seit 2006 etwas gesunken, der Bedarf an Betreuungsangeboten ist jedoch gestiegen. Laut Johannes Becher (Grüne) liegt das daran, dass der Landkreis Freising zur "Schichtarbeiterregion" um München gehöre. 2006 wurden laut Mertl gerade mal 4,9 Prozent der unter Dreijährigen in Kindertagesstätten oder bei Tagesmüttern fremd betreut. Inzwischen ist dieser Anteil auf 28,6 Prozent gestiegen. Bei den Drei- bis Sechsjährigen wird sogar eine Quote von nahezu hundert Prozent erreicht.

Bei den Schulkindern ergibt sich eine ähnliche Situation. Im Gegensatz zu den Kindergärten besteht kein Anspruch auf Betreuung in Horten oder den Schulen selbst. Unterschiedliche und sich jährlich ändernde Unterrichtszeiten sowie Ferien stellen berufstätige Eltern vor Herausforderungen. 2006 war ein Anteil von 12,7 Prozent der Schulkinder fremd betreut. 2018 stieg dieser Anteil auf 33,2 Prozent.

Mertl sieht darin verschiedene Ursachen. Zum einen gibt es da gesetzliche Vorschriften. Seit August 2018 haben Kinder ab Vollendung des ersten Lebensjahres einen gesetzlichen Anspruch auf eine Betreuung in einer Kindertagesstätte oder Tagespflege. Zum anderen sind oft beide Elternteile in der Boomregion um den Flughafen und München gezwungen, einer Arbeit nachzugehen, um den Lebensunterhalt der Familie bestreiten zu können. Schichtbetrieb ist keine Seltenheit. Viele Familien sind zugezogen. Ihnen fehlen soziale Netzwerke wie Großeltern oder Verwandte, die sich um die Kinder kümmern könnten. Viele Mütter (44 Prozent) kehren laut Mikrozensus 2017 bereits nach einem Jahr wieder in ihren Beruf zurück, 58 Prozent nach zwei Jahren. Alleinerziehende Mütter oder Väter arbeiten erheblich häufiger in Vollzeit als Mütter in Paarfamilien.

Im Jugendhilfeplan haben laut Mertl die Themen Inklusion und Migration noch gar keine Berücksichtigung gefunden. Entsprechend werden mehr Betreuungsplätze und mehr pädagogisches Fachpersonal benötigt. Dem wiederum steht in der Boomregion der Mangel an Fachpersonal entgegen. Mertl plant nun, die Defizite aufzuarbeiten. Dabei soll es unter anderem eine Befragung von Eltern und Kindern geben, um Bedarfe zu ermitteln. Von Erziehern möchte die Planerin erfahren, wie ihre positiven Arbeitsbedingungen aussehen, die sie an einen Träger binden.

"Die Eltern brauchen Sicherheit", betonte Becher im Hinblick auf den zu überarbeitenden Jugendhilfeteilplan. Die klassischen Betreuungszeiten reichten dabei in einer Schichtarbeiterregion nicht mehr aus. "Wir müssen flexibel auf Anforderungen reagieren", betonte Becher. "Die Herausforderungen sind gewaltig", stimmte Stellvertretender Landrat und Sitzungsleiter Robert Scholz (FW) zu. Umso mehr wunderte sich Beate Frommhold-Buhl (SPD), dass die Fortschreibung des Jugendhilfeteilplans nicht längst in Angriff genommen wurde: "Zwölf Jahre sind ein langer Zeitraum. Wir dürfen nicht wieder solange warten."

© SZ vom 20.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: