Inklusion am Arbeitsplatz:Knapp unterm Mindestwert

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Die Betriebe im Landkreis können die Vorgabe bei der Beschäftigung von Schwerbehinderten nicht ganz erfüllen. Behindertenbeauftragte sehen im Vergleich zu vergangenen Jahren aber eine positive Entwicklung der Verhältnisse

Von Julia Kitzmann, Freising

Inklusion ist das Ziel: Laut Gesetz müssen private und öffentliche Arbeitgeber mit 20 Beschäftigten und mehr mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzen. Dies wird nun für das Jahr 2016 überprüft. Deshalb sollen Arbeitgeber aus dem Landkreis Freising bis Ende März alle relevanten Daten bei der Agentur für Arbeit einreichen. "Im letzten Berichtsjahr 2014 betraf die Regelung im gesamten Landkreis 297 Betriebe", berichtet Kathrin Stemberger, Pressesprecherin der Agentur für Arbeit. Von den geforderten 1672 Pflichtarbeitsplätzen für Menschen mit Schwerbehinderung seien 1517 besetzt worden. Laut Stemberger lag die Quote bei 4,3 Prozent - durchschnittlich also unter dem geforderten Mindestwert.

"Erfüllt ein Unternehmen die gesetzliche Vorgabe nicht, wird eine Ausgleichsabgabe fällig. Sie hängt von der Größe des Betriebs und dem Anteil der bereits eingestellten Schwerbehinderten ab", erklärt Stemberger. Ein Betrieb mit mehr als 60 Mitarbeitern müsse demnach monatlich zwischen 125 und 320 Euro pro unbesetztem Pflichtarbeitsplatz zahlen. Reduzieren lasse sich der Betrag durch die Vergabe von Aufträgen an Werkstätten für behinderte Menschen. "Die Abgabe der Nichterfüller fließt direkt in Fördermaßnahmen für Menschen mit Behinderung. Es werden etwa Löhne bezuschusst oder Arbeitsassistenzen finanziert", erklärt Stemberger. Um ein genaueres Bild von der Situation zu erhalten, verweist sie auf die direkt im Landkreis erhobenen Daten. Denn die Meldung zur Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung erfolge an die Agentur für Arbeit, in deren Bezirk der Hauptsitz des Unternehmens liegt.

"Die Betriebe und somit die Pflichtarbeitsplätze können sich also tatsächlich in einer anderen Region befinden", beschreibt Stemberger die Krux mit den Zahlen. So seien im Landkreis 2014 durchschnittlich 2607 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit Schwerbehinderung gemeldet gewesen, die in Betrieben mit über 20 Mitarbeitern gearbeitet hatten. "Eine Steigerung im Vergleich zu den beiden vorangegangen Jahren", stellt sie fest. Von den durchschnittlich 7764 arbeitslos Gemeldeten waren 644 schwerbehindert. Die Pressesprecherin betont: "Die Arbeitsagentur will möglichst viele Menschen mit Handicap in den Arbeitsmarkt integrieren. Arbeitgeber können Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung oder zum Lohn beantragen." Außerdem werde die behindertengerechte Ausgestaltung der Arbeitsplätze gefördert.

Konrad Weinzierl, Behindertenbeauftragter des Landkreises, und sein Vorgänger Josef Neumair stellen eine positive Entwicklung fest. Umbauten in öffentlichen Gebäuden wie in den Betrieben selbst hätten die Beschäftigungsmöglichkeiten für schwerbehinderte Menschen deutlich verbessert. "Heute begegnen sich behinderte und nicht-behinderte Arbeitnehmer auf Augenhöhe. Nicht zuletzt, weil Behinderte offen mit ihrer Behinderung umgehen", berichten beide.

Seit über 40 Jahren ist Neumair für die Rechte Behinderter im Einsatz. Stolz bekräftigt er: "Die Erfahrungen der kooperierenden Unternehmen waren in dieser Zeit durchweg positiv." Er selbst weiß, wovon er spricht: Seit einem Arbeitsunfall sitzt er im Rollstuhl und arbeitet trotzdem. "Man muss mit den Leuten sprechen, Arbeitnehmer und Behinderte müssen ins Gespräch kommen", betont er. Eine Kontaktplattform im Landkreis ist dabei der Freundeskreis der Rollstuhlfahrer Freising. "Unternehmen können direkt auf uns zukommen, zum Beispiel wenn es darum geht, Arbeitsplätze behindertengerecht umzubauen", erzählt Neumair, der Vorsitzender des Vereins ist. Sein Nachfolger Weinzierl, ebenfalls im Verein engagiert, sieht noch Potenzial: Gerade in kleineren Betriebe sei nicht bekannt, dass es in den Kommunen zahlreiche Beratungsstellen und finanzielle Fördermöglichkeiten gebe. Kathrin Stemberger verweist zudem auf die hohe berufliche Qualifikation vieler Schwerbehinderter: "Unter ihnen sind viele Fachkräfte, auf die in Zeiten des Fachkräftemangels nicht verzichtet werden kann."

© SZ vom 23.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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