Immer mehr Eltern nehmen Angebot in Anspruch:Assistenz im Klassenzimmer

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Speziell geschulte Begleiter helfen Kindern mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen, am Unterricht in einer Regelschule teilzunehmen

Von Gudrun Regelein, Freising

Körperlich oder geistig behinderte Kinder in einer Regelschule: Was vor vielen Jahren noch unmöglich erschien, ist im Landkreis Freising mittlerweile immer häufiger Normalität. Seit Deutschland 2009 die UN-Konvention unterzeichnet hat, haben Familien Anspruch auf eine Eingliederungshilfe. Eltern können eine individuelle Betreuung - einen sogenannten Schulbegleiter - beantragen, damit ihr Kind eine Regel- oder Förderschule besuchen kann. Und immer mehr tun das. Bezahlt wird diese Assistenz vom Jugendamt, das für seelisch behinderte Kinder zuständig ist, oder vom Bezirk Oberbayern, der für geistig behinderte Schüler verantwortlich ist.

Auch im Landkreis sind die Zahlen massiv gestiegen. Hatte das Freisinger Jugendamt 2013 im Jahresdurchschnitt 17 Schulbegleitungen zu betreuen, sind es mittlerweile bereits etwa 50. Der Anstieg macht sich auch bei den Kosten bemerkbar: Die monatlichen Ausgaben für die Schulbegleiter liegen derzeit zwischen 110 000 und 127 000 Euro - im Jahr also zwischen 1,3 Millionen und 1,5 Millionen Euro. 2013 schlugen die Kosten noch mit 269 207 Euro zu Buche. Inzwischen habe sich die Begleitung "relativ gut" etabliert, sagt Jugendamtsleiterin Arabella Gittler-Reichel. An vielen Schulen sei sie mittlerweile ein gewohntes Bild: Lehrer - aber auch die Mitschüler - hätten sich daran gewöhnt und empfänden die Begleitung als hilfreich. Wenn Eltern eine Betreuung eines Kindes für notwendig hält - oder die Schule dazu rät -, dann muss zunächst einmal ein Gutachten eines Kinder- und Jugendpsychiaters vorgelegt werden, in dem dieser die seelische Behinderung bestätigt. "Danach wird das Integrationsrisiko überprüft", schildert Gittler-Reichel. Das passiere in Gesprächen mit den Eltern und dem Kind - zudem werde bei der Schule nach einer Stellungnahme gebeten. Sobald der Antrag bewilligt wurde, wird ein passender Begleiter ausgesucht; je nach Bedarf des Kindes. Manche Kinder müssten bereits auf dem Schulweg begleitet werden, andere dagegen bräuchten nur für bestimmte Stunden eine Unterstützung im Unterricht, berichtet die Jugendamtsleiterin.

Der Malteser Schulbegleitdienst betreut derzeit im Landkreis 18 Kinder mit einer seelischen, körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung in Förder- und in Regeleinrichtungen. "Die Nachfrage bei uns steigt seit der Gründung im Jahr 2014", sagt Lena Fröhlich, Leiterin des Schulbegleitdienstes. In den meisten Fällen bewillige der Kostenträger nur eine ungelernte Hilfskraft, da davon ausgegangen werde, dass "nur" Assistenzaufgaben zu erledigen sind. Nur in Ausnahmefällen würden auch Fachkräfte - wie Heilerziehungspfleger oder Erzieher - finanziert.

Für die Schulbegleiter gibt es keine Ausbildung oder Weiterbildung: "Wir bieten deshalb für unsere Begleiter regelmäßig Schulungen an", berichtet Fröhlich. Mitarbeiter zu finden, sei in Zeiten eines Fachkräftemangels im sozialen Bereich manchmal schwierig. "Aber da es sich auch um eine erfüllende Aufgabe in Teilzeit handelt, für die keine besondere Qualifikation erforderlich ist, haben wir meist viele Bewerber", sagt Fröhlich. Die eigentliche Schwierigkeit bestehe darin, die passenden Schulbegleiter auszuwählen, denn: "Wir wählen jeden Mitarbeiter für jedes Kind einzeln aus." Durch die Begleitung werde die Inklusion unterstützt, bestätigt Karl Rauscheder, Schulrat am Schulamt Freising. "Ich sehe das positiv. Viele Kinder haben erst dadurch die Möglichkeit, am Unterricht teilzunehmen - und sie bietet dem Lehrer eine Entlastung." In den allermeisten Fällen laufe die Zusammenarbeit zwischen Lehrer, Schüler und Begleiter auch gut. Hildegard Waldinger allerdings, zuständig für Bildung und Erziehung bei der Lebenshilfe Freising, dagegen sieht die Schulbegleitung kritisch - zumindest in Regeleinrichtungen. Dadurch werde ein Kind stigmatisiert. "Wenn andauernd ein Erwachsener daneben sitzt, dann bekommt es doch automatisch einen Sonderstatus", sagt sie.

© SZ vom 12.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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