Im Freisinger Amtsgericht:Bewährung für Senior auf der Anklagebank

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81-Jähriger bedient sich aus der Stiftungskasse seiner verstorbenen Frau, um private Grundstücksgeschäfte zu finanzieren

Von Peter Becker, Freising

Pfiffig sieht er aus der ältere Herr, der auf der Anklagebank des Freisinger Amtsgerichts Platz nahm. 81 Jahre ist der Senior alt. So betagte Herrschaften gehören eher selten zur Klientel von Amtsrichter Manfred Kastelmeier. Pfiffig glaubte der ältere Herr vielleicht gehandelt zu haben, als er aus dem Vermögen der Franziska-Kuhnert-Stiftung genau 153 001 Euro entnahm, um die Summe für ein Grundstücksgeschäft zu verwenden. Die Staatsanwaltschaft empfand den Griff in die Stiftungskasse indes weniger clever, als vielmehr kriminell. Sie zeigte den damaligen Stiftungsvorsitzenden wegen Untreue an. Nach einem Verständigungsgespräch und einem Geständnis des Angeklagten verurteilte das Freisinger Schöffengericht diesen zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr.

Die Franziska-Kuhnert-Stiftung unterstützt arme Kinder oder deren Eltern. Ihr Sitz ist in Fulda. Der Name geht auf die verstorbene Frau des 81-Jährigen zurück, der offenbar zum Zeitpunkt der Tat im Jahr 2010 in Moosburg gelebt hat. Zumindest hat er bei der örtlichen Sparkasse ein Konto. Auf dieses hatte er das Stiftungsgeld überwiesen, ohne dafür die Zustimmung des Hessischen Regierungspräsidiums zu haben. Laut Satzung ist es verboten, Geld aus dem Stiftungsvermögen zu entnehmen - außer für wohltätige Zwecke. Die 153 000 Euro wollte der Angeklagte, der gleichzeitig Geschäftsführer einer Bauträgergesellschaft war, für einen Grundstückskauf verwenden.

Wie ein Zeuge, der sich selbst als "Not-Geschäftsführer" der Stiftung bezeichnete, berichtete, habe es seinerzeit Unstimmigkeiten bei den Jahresabschlüssen gegeben. Der Mann war eigens wegen seiner Aussage, die maximal eine Viertelstunde dauerte, aus Potsdam angereist. Er sagte, der Angeklagte sei damals seines Amts als Stiftungsvorsitzender enthoben worden. Mittlerweile ist die Angelegenheit, was die finanzielle Seite anbelangt, vor dem Landshuter Landgericht mit einem Vergleich beendet worden. Der 81-Jährige bezahlte 390 000 Euro. Damit sind sowohl die Unstimmigkeiten bei den Bilanzen als auch die Entnahme des Geldes für den Grundstückskauf abgeglichen.

Der 81-Jährige ist durchaus eine illustre Persönlichkeit. Geboren wurde er 1934 in Breslau. Seine Flucht nach den Wirren des Zweiten Weltkriegs endete in Erlangen. Neben dem Studium schlug er eine Fußballkarriere ein. Damals, vor der Gründung der Bundesliga, waren die regionalen Oberligen die höchste Spielklasse. Der damals junge Mann kickte zunächst in der Süd-Gruppe für die SpVgg Fürth, um dann zum FC Bayern München zu wechseln. Dort brachte er es sogar zum Torschützenkönig des damaligen Oberligisten, wie sein Rechtsanwalt Herbert Löffler verkündete. Im Ausland kickte der Angeklagte für den FC Lausanne und Austria Salzburg. In den Siebzigerjahren wirkte er als Co-Trainer für die Nationalmannschaft Saudi-Arabiens.

Das Schöffengericht unter dem Vorsitz von Richter Kastelmeier stand zu seinem Wort, im Falle eines Geständnisses das Strafmaß auf eine Bewährungsstrafe zwischen neun und 15 Monaten zu beschränken. Der Angeklagte fand das nur gerecht, weil er durch die Vergleichszahlung das Vermögen der Stiftung mehr als verdoppelt habe. Das Schöffengericht rechnete es ihm als strafmildernd an, dass er den angerichteten finanziellen Schaden wieder gut gemacht habe. Auch das hohe Alter des Angeklagten spielte bei der Bemessung der Strafe eine Rolle. Das Schöffengericht verzichtete darauf, eine Strafe des Münchner Amtsgerichts in sein Urteil miteinzubeziehen. Das hatte ihn wegen eines schwindligen Grundstücksgeschäfts zu einer empfindlichen Geldstrafe verurteilt. Das treffe den 81-Jährigen, wo es ihn am meisten schmerzt: an seinem Vermögen.

© SZ vom 17.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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