Im Freisinger Amtsgericht:Abbruch wegen Schwips

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Prozess gegen 54-Jährigen wegen sexuellen Missbrauchs endet vorzeitig, weil der Übersetzer offenbar angetrunken ist. Zuvor belasten Zeugen den Angeklagten. Verfahren wird am 30. Juni fortgesetzt

Von Peter Becker, Freising

Ein unrühmliches Ende hat am Freitagmorgen eine Verhandlung am Freisinger Amtsgericht genommen. Weil der Übersetzer offenbar angetrunken war, brach Vorsitzender Richter Manfred Kastlmeier die Verhandlung ab. Zuvor hatte der Angeklagte Zweifel an den Dolmetsch-Künsten des Mannes gehegt. Als dann die Sachverständige eine "Fahne" im Gerichtssaal witterte und eine Zeugin bekundete, dass der Übersetzer "besoffen" sei, setzte Richter Kastlmeier dem Trauerspiel ein Ende. Der Prozess gegen einen 54-Jährigen aus dem Landkreis Freising, der seine damals 13-jährige Stieftochter unsittlich berührt haben soll, wird am 30. Juni fortgesetzt.

Zunächst verlief alles in geordneten Bahnen. Eine Psychotherapeutin sagte aus, die heute 19-jährige Stieftochter des Angeklagten sei bei ihr wegen Depressionen in Behandlung. Diese rührten ihrem Bekunden nach einerseits von den angeblichen Missbrauchsvorfällen her. Andererseits sei das Mädchen von zwei Suizidversuchen der Mutter traumatisiert. Die 13-Jährige habe wegen der ständigen Streitigkeiten im Elternhaus Angst gehabt, ihre Mutter würde einen weiteren Selbstmordversuch unternehmen. Die angeklagten Vorfälle sollen sich im Zeitraum zwischen 2009 und 2011 ereignet haben. Begonnen hatten sie, als die kleine Schwester des Mädchens geboren wurde.

Eine damalige Nachbarin berichtete als Zeugin, dass ihr eine für sie ungewöhnliche Situation aufgefallen war. Sie hatte beobachtet, dass der Beschuldigte sowohl die Mutter als auch die Tochter zur Begrüßung vor deren Haus auf den Mund geküsst habe. Sie wisse ja nicht, ob dies im Herkunftsland der Nachbarsfamilie üblich sei. In Deutschland sei es jedenfalls nicht geläufig, dass ein Vater seine Tochter auf den Mund küsse. Zumal, wenn es nicht seine leibliche sei. Das Mädchen habe ihr gegenüber auch geäußert, dass sie sich in Gegenwart ihres Stiefvaters unwohl gefühlt habe. Auf Facebook hatte sie das ebenso beschrieben. Die Zeugin berichtete, dass aus dem Nachbarhaus oft lautes Geschrei infolge von Streitigkeiten zu vernehmen gewesen sei.

Wenig Erhellendes wusste bislang die Mutter des Beschuldigten als Zeugin zur Klärung des Sachverhalts beizutragen. Sie war nach der Geburt der leiblichen Tochter ihres Sohnes ein Dutzend Tage dort zu Besuch. Für sie sind die Vorwürfe, die gegen ihn im Raum stehen, "frei erfunden". "Es herrschte ein gutes Verhältnis zwischen Tochter und Papa", bekundete sie. Dies leitet sie unter anderem daraus ab, dass die damals 13-Jährige bei Besuchen bei den Großeltern immer mit ihrem Sohn auf einer Matratze am Boden schlafen wollte.

Als der Staatsanwalt der Zeugin eine komplexe Frage zur Übernachtungssituation am Tage der Geburt des jüngsten Kindes stellte, überforderte dies den Übersetzer. Dieser hatte schon beim Betreten des Gerichtssaals einen etwas konfusen Eindruck hinterlassen. Als seine Mutter auf die Frage des Staatsanwalts antworten sollte, schaltete sich der Angeklagte ein. Der Dolmetscher habe etwas ganz anderes übersetzt, als jener gefragt habe, sagte er. Für die Fortsetzung ist ein neuer Übersetzer bestellt.

© SZ vom 20.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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