Tannen und Fichten vom Hörlhof:Weihnachtsbäume mit Geschichte

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Seit den 70er Jahren pflanzt die Familie Fischer in Hörgertshausen Christbäume an. Schnell geht hier gar nichts, denn die Tannen und Fichten brauchen jahrelange sorgfältige Pflege. Besonders geschützt werden müssen die Spitzen.

Von Rebecca Seeberg, Hörgertshausen

Die fünf Schafe scheinen die Ruhe unter den Tannen zu genießen. Gemächlich ziehen sie ihre Bahnen zwischen den dunkelgrünen Ästen, rupfen hier einen Grashalm aus, knabbern da an einem krautigen Busch und lassen die Julisonne ihr schönes Fell wärmen. Denn, ja, es ist Sommer auf dem Hörlhof. Eng an die hügelige Landschaft der Hallertau geschmiegt liegt das Grundstück der Familie Fischer auf dem sie schon seit Jahrzehnten Landwirtschaft betreiben. Ihre drei Standbeine sind die Ferkelzucht, der Hopfenanbau und die Christbaumzucht. Denn Weihnachtsbäume werden weder vom Christkind gebracht, noch schießen sie pünktlich zur Weihnachtszeit aus dem Boden - sie bedürfen jahrelanger Hege und Pflege.

Die Schafe dienen als natürliche Rasenmäher und Unkrautjäter und nehmen der Familie damit einen Teil der Arbeit ab, die das ganze Jahr über auf ihrem Hof anfällt. Im September wird der Hopfen geerntet, die Ferkel müssen egal, ob Sommer, Herbst oder Winter gefüttert werden, kommt aber der Dezember ins Land, dann ist es grün auf dem Hörlhof.

Schon auf dem Vorplatz lehnen die Tannen dicht an dich an den Hauswänden und überall hängt der schwere Duft der Rotfichten in der Luft. In einer silbrigen Kiefer hängen schon getrocknete Orangenschalen und Zimtsterne.

Durch die ganze Christbaumpracht hüpfen die vier Kinder der Familie Fischer. Alle tragen Arbeitshosen und Gummistiefel, ganz wie ihr Vater, der sich gutmütig zu der kleinsten herabbeugt und sich den schicken Filzhut vom Kopf ziehen lässt. Die Mädchen sind dort daheim, wo sonst die Augen anderer Kinder groß werden. Denn auf dem Hörlhof gibt es mehr Christbäume, als man zählen kann und die meisten sind älter als man selber.

Die kleinen Setzlinge, die Christian Fischer auf seiner Kultur einpflanzt, wurden alleine schon von den Baumschulen vier Jahre lang gezogen. Die Tannen, auf deren Spitze gerade noch so ein Engel darauf passt, bevor sie an die Wohnzimmerdecke stoßen, sind dann noch Mal zehn Jahre auf dem Hof gehegt und gepflegt worden.

"Nach so langer Zeit kennt man seine Bäume", so Fischer. Denn jede seiner Tannen, Fichten oder Kiefern hat eine eigene Geschichte, angefangen vom Züchter, über den Schnitt, bis hin zu Auswirkungen von extremen Wetterperioden.

Um den Schönheitsansprüchen an die heutigen Christbäume gerecht zu werden, bedürfen diese sonst so robusten Nadelbäume außergewöhnlich sorgfältiger Pflege. Wenn im Frühling die ersten Maiglöckchen ihre Köpfchen aus der Erde bahnen und die Natur den Winter abschüttelt, dann steht Christian Fischer unter seinen Tannen und bringt lange Stäbe an deren Spitzen an. Er muss die Vögel, die ihre Frühlingsgefühle am liebsten von hoch oben herab zwitschern möchten, am aufsitzen hindern. Denn "mit einer abgebrochenen Spitze ist ein Weihnachtsbaum nichts mehr wert", erklärt der Landwirt.

Kommt der Sommer ins Land, so steht Christian Fischer immer noch unter den grünen Zweigen, schnippelt hier ein Ästchen ab, betrachtet dort mit fachkundiger Miene eine Tanne. Beim Formschnitt helfe ihm vor allem seine Frau Renate Fischer, denn für so etwas "braucht man ein gutes Auge und das hat nicht jeder." Wenn dann die Luft zu stocken scheint und die Menschen sich am Weiher die Sonne aufs krebsrote Haupt brutzeln lassen, steht der Landwirt mit dem Gartenschlauch auf seinem Hof. Denn egal, wie tief die Wurzeln reichen, auch eine Tanne kann durch die deutlich extremeren Temperaturen der vergangenen Jahren kaputt gehen, so Fischer.

"Wir arbeiten in der Landwirtschaft mit und von der Natur", erklärt er. Es sei auch schon vorgekommen, dass fast der gesamte Anbau durch ein Hagelwetter zerstört wurde. Er habe damals Tannen von anderen Landwirten dazu kaufen müssen, so Fischer, "denn der Kunde wartet nicht zehn Jahre auf einen Christbaum, sondern der kommt jedes Jahr." Wer Bäume pflanzt, der muss Optimist sein.

Eine Wesensart, die "Opa" Joseph Fischer durch und durch zu eigen ist. "Den ganzen Tag spazieren gehen, das wär nix für mich", erklärt er in tiefster bayrischer Mundart. Das Geschäft hat er zwar an seinen Sohn weitergegeben, aber mit der Motorsäge kann er immer noch umgehen.

Angefangen habe das mit den Christbäumen in den 70er Jahren, als die Tannen auf seinem kleinen Waldstück in der Weihnachtszeit gerade die richtige Größe für ein Wohnzimmer hatten. Seitdem habe sich der Verkauf immer weiterentwickelt. Sein damals 18-jähriger Sohn Christian sei im Advent noch mit dem Bulldog in die Schule gefahren, um danach die Christbäume bei ihrem kleinen Stand vor dem Moosburger Getränkemarkt zu verkaufen. Mittlerweile haben sie einen eigenen Hofverkauf, mehrere Stände in der Umgebung und bieten sogar Familien an ihren eignen Christbaum zu schlagen.

Christian Fischer hofft, dass eine seiner Töchter ebenfalls später den Betrieb übernehmen möchte. Denn wer Bäume pflanze, pflanze für die Zukunft. Die Tannen lassen sich nicht zur Eile zwingen, egal wie schnell das Jahr wieder vorbeigegangen ist. "Ich freue mich über jeden Baum, mit dem ich einen Kunden glücklich machen kann", so Fischer. Vielleicht deshalb, weil er dann etwas von der Ruhe, die zwischen den Tannen herrscht, weitergeben kann.

© SZ vom 15.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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