Hochwasserschutz:Chance vertan

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Grüne kritisieren die Deichsanierung bei Hallbergmoos, finden im Landkreis Freising aber auch positive Beispiele - und viele Regenwürmer

Von Petra Schnirch

Regenwürmer sind ein Indikator für einen gesunden, lockeren Boden, in dem Wasser gut versickern kann. Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause begutachtet auf dem Hof von Biobauer Sepp Braun eines der Tiere. (Foto: Marco Einfeldt)

Uferabbrüche, Schlick im Auwald, aufgerissene Wege und Kiesbänke: Auf Höhe der Ortschaft Niederhummel hat die Isar viel Platz und die Spuren zeigen, dass der Fluss während des jüngsten Hochwassers diesen Raum genutzt hat. "Vorbildlich" sei die Renaturierung an dieser Stelle, lobt der Abgeordnete Christian Magerl bei einer Pressefahrt der Landtagsgrünen durch die Landkreise Freising und Erding. Große Ufersteine wurden entfernt. Der Deich indes verläuft dort seit jeher mehrere hundert Meter vom Flussbett entfernt.

So eine Retensionsfläche hätten sich die Grünen auch bei Hallbergmoos gewünscht. Dort aber ist der marode, etwa 80 Jahre alte Damm saniert worden. "Hier wurde die Chance vertan", Stauraum für eine Million Kubikmeter Wasser zu schaffen, kritisieren Magerl und Fraktionschefin Margarete Bause. Sie fordern, dass der Fokus verstärkt auf ökologischen Hochwasserschutz gelegt werden müsse. Von vielen solcher Maßnahmen profitierten die Unterlieger an den Flüssen. Würden nur die Deiche verstärkt, rausche das Wasser bis zur Isarmündung und nach Passau durch, sagt Magerl - und dort können die Anwohner nicht mehr geschützt werden.

Zwei positive Beispiele im Raum Freising heben die Grünen hervor: Bei Oberhummel ist Retentionsraum für etwa 100 000 Kubikmeter entstanden, bei Rosenau südlich von Moosburg sind es sogar 300 000. Ein Jahr nach dem Augusthochwasser von 2005 war der Deich dort auf einer Länge von 7,5 Kilometer an die Staatsstraße versetzt worden. Bei Hallbergmoos entschied sich das Wasserwirtschaftsamt dagegen zunächst für eine Sanierung des bestehenden Damms. Der damalige Leiter des Wasserwirtschaftsamtes, Klaus Arzet, verwies auf langwierige Grundstücksverhandlungen - und darauf, dass eine schnelle Lösung erforderlich sei.

Wann die Rückverlegung tatsächlich erfolgen wird, dafür ist nach Angaben des Wasserwirtschaftsamts noch keine Prognose möglich. "Das hängt auch vom Personal und vom Geld ab", sagt der stellvertretende Behördenleiter Wolfgang Polz. Für den Bereich westlich der Isar, also bei Mintraching, sollen bis zum Herbst die Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren vorliegen. Wann gebaut werden kann, ist offen. Auch auf dieser Isarseite soll, wo möglich, Retensionsraum gewonnen werden. Am Ende werden es auf beiden Seiten etwa vier Millionen Kubikmeter sein.

Die Grünen fordern, künftig mit mehr Nachdruck zu verhandeln, wenn Grundstücke für Retensionsräume benötigt werden und gegebenenfalls Tauschflächen anzubieten. Im äußersten Fall müsse auch zu drastischeren Mitteln gegriffen werden. Beim Straßenbau, etwa für die A 94, "geht es ja auch", sagt Magerl. Ökologischer Hochwasserschutz müsse aber schon an kleinen Bächen und Flüssen beginnen.

Weiteres Ziel der Grünen an diesem Tag ist der Hof von Biobauer Sepp Braun in Dürneck bei Freising. Er setzt sich seit Jahren für einen Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft ein: für eine weniger intensive Bewirtschaftung und eine veränderte Fruchtfolge. Wird mehr Kleegras gepflanzt und nicht überwiegend Mais, ist der Boden besser durchwurzelt - und es gibt mehr Regenwürmer. Deren Röhren lockern das Erdreich auf, Wasser kann schneller abfließen, wie Braun erklärt. Auf konventionell bewirtschafteten Flächen gebe es kaum noch Würmer - dies haben auch die Arbeiten von Johannes Bauchhenß bewiesen, dem "Regenwurmpapst", wie ihn Magerl vorstellt. Dass dies bei Brauns Böden anders ist, zeigt der frühere Mitarbeiter der Landesanstalt für Landwirtschaft bei einem Feldversuch: Er gießt zehn Liter Wasser, dem etwas Formalin beigeben wird, auf eine kleine Fläche. Schon nach wenigen Sekunden kriechen die ersten Würmer aus dem Boden - und das Wasser versickert trotz der aktuellen Regenfälle sehr schnell. Übrigens: Die Würmer überleben das Experiment alle, versichert Bauchhenß. Sie werden anschließend kurz in klarem Wasser gebadet.

© SZ vom 26.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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