Gut angekommen :"Hier ist jetzt unser Leben"

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Die Familie Habibi, im Bild mit Marianne Kastorff, hat sich mittlerweile in Freising gut eingelebt. (Foto: Marco Einfeldt)

Seit Dezember 2011 betreut das Ehepaar Kastorff Flüchtlinge in Moosburg. Viele ihrer Schützlinge haben sichmittlerweile gut integriert. Eine Rückkehr nach Afghanistan können sie sich nicht mehr vorstellen.

Von Gudrun Regelein, Freising

Als vor mittlerweile fast vier Jahren, im Dezember 2011, die ersten Asylbewerber nach Isareck bei Moosburg kamen, waren die Kastorffs mit die Ersten, die sich ehrenamtlich um sie kümmerten. Seitdem betreut das Moosburger Ehepaar Flüchtlinge in Moosburg, mittlerweile auch viele bereits anerkannte Zuwanderer - derzeit sind es 36 Personen. Natürlich werde all das manchmal zu viel. "Aber was sollen wir machen? Wir können sie doch nicht hängen lassen", sagt Reinhard Kastorff. "Weil sie nun da sind, behandeln wir sie wie alle Bürger: Wir geben ihnen soziale, schulische und berufliche Bildung und eine neue Heimat." Ein bisschen stolz sei er aber auch, da sich viele seiner Schützlinge mittlerweile gut integriert hätten, sagt er. 16 der von den Kastorffs betreuten Flüchtlinge haben bereits eine Arbeit gefunden, die meisten der anderen besuchen Integrationskurse, die Schule - teilweise sogar das Gymnasium - oder sind in Vorbereitungskursen für die Uni.

Über einige seiner Schützlinge hat die SZ Freising bereits im vergangenen Dezember ausführlich berichtet - heute, fast ein Jahr später, wird ihre Geschichte weitererzählt. Hosein Hoseini, der junge Afghane, den Kastorff gerne als seinen "Leuchtturm" bezeichnet, sei "auf gutem Wege." Hosein, der alleine nach Deutschland kam, war einer der Ersten, die in Isareck untergebracht wurden. Mittlerweile absolviert er im dritten Lehrjahr eine Ausbildung zum Bäcker und wohnt in einer eigenen kleinen Wohnung. Was die Akzeptanz und Entwicklung des 23-Jährigen in Deutschland gefördert habe, sei dessen aufgeklärtes Verhältnis zu Traditionen und Religionen, sagt sein Betreuer. "Für Hosein ist Deutschland eindeutig sein neues Zuhause. Der will auch garantiert - im Gegensatz zu vielen anderen Zuwanderern - nicht mehr zurück." Hosein habe Afghanistan nur als Kleinkind erlebt, sei im Iran aufgewachsen - dort seien schon vor vielen Jahren Afghanen in großer Zahl hingeflüchtet. Dort würden sie aber unter einer staatlicher Unterdrückung leiden und müssten ein Leben am Rande der Gesellschaft führen. Hoseins Familie bestehe nur noch aus einer Schwester mit ihrem Mann und deren zwei Kinder im Iran. "Für sie ist er schon der große Onkel in Europa. Ihnen gibt er sein letztes Hemd, also nahezu alle seine Ersparnisse" erzählt Kastorff.

Auch die Familie Habibi, die eine Zeitlang in Isareck unterkam, hat mittlerweile Fuß gefasst. Mahmoud, seine Frau Faiaqa und die beiden Söhne wohnen seit einem guten Jahr in einer eigenen Wohnung in Freising. Der Vater hat eine Vollzeitbeschäftigung im Krankenhaus gefunden, der ältere Sohn geht in die Grundschule, der Jüngere, in Deutschland geborene, in den Kindergarten. Die Mutter besucht gerade - nach bestandenem Integrationskurs - in München einen Intensiv-Sprachkurs. Faiaqa, die im Iran ihr Abitur gemacht hat, hat ein Ziel: Sie will eine Ausbildung zur Erzieherin machen. Vor gut vier Jahren war die Familie aus Afghanistan geflohen: Mahmoud hatte als Fahrer für die internationale Schutztruppe ISAF gearbeitet, die Taliban bedrohten ihn massiv, er fürchtete um sein Leben. Die Flucht der Familie war abenteuerlich, auch die erste Zeit in Deutschland war schwer. Im März 2014 bekam die Familie dann endlich eine Aufenthaltsgenehmigung. Zurück wollen sie alle nicht mehr: "Hier ist jetzt unser Leben", sagt Faiaqa.

Die Lalzads, die 2011 nach einer monatelangen Flucht in Deutschland um Asyl baten, sind eine sehr aufgeschlossene Familie. Zwar seien sie Muslime, berichtet Zahra, die ältere Tochter, aber die Eltern hätten schon immer eine europäische, fortschrittliche Einstellung vertreten. In der traditionsbewussten und konservativen afghanischen Gesellschaft habe der Vater, ein Apotheker, deshalb Probleme bekommen - irgendwann kamen dann Morddrohungen hinzu. Die Lalzads entschlossen sich, ihr Heimatland zu verlassen. Nach einem schwierigen Start in einem neuen Leben geht es ihnen inzwischen besser. Auch sie haben mittlerweile eine eigene Wohnung gefunden. Gul Lalzad und seine Frau Sima haben inzwischen den Integrationskurs abgeschlossen, Gul musste ihn allerdings selber bezahlen. Denn nach wie vor ist er - im Gegensatz zu seiner Frau und den beiden Töchtern - nur geduldet. Gul müsse also beispielsweise, wenn seine Frau und die beiden Töchter seine älteste Tochter und die Enkelin in Dänemark besuchen, hierbleiben - was ihn natürlich belaste, berichtet Karstorff. Wieder als Apotheker arbeiten kann er momentan auch nicht. Nezhada, die jüngste Tochter, besucht das Gymnasium, Zahra, die Ältere, will an der FOS in Freising nächstes Jahr das Abitur machen. Nach Afghanistan zurückzukehren können sich die Schwestern nicht mehr vorstellen.

© SZ vom 22.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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