Herausforderung auch für die Helfer:Schwangerschaft in der Schulturnhalle

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Ein Bett und ein Stuhl pro Asylbewerber: So spartanisch ist die Ausstattung in der Turnhalle der Wirtschaftsschule. 17 Frauen werden hier zumindest einen Teil ihrer Schwangerschaft verleben müssen. (Foto: Marco Einfeldt)

17 weibliche Flüchtlinge, die seit Mittwoch in Freising sind, erwarten Kinder. Das Landratsamt ist darauf vorbereitet, ihnen zu helfen. Trotzdem müssen die Frauen nach der Geburt möglicherweise zurück ins Notquartier

Von Peter Becker, Freising

Endlich ist es so weit: Das Kind ist da. Für viele Eltern geht damit ein Traum in Erfüllung. Nach ein paar Tagen im Krankenhaus kommt die junge Mutter nach Hause. Das Kinderzimmer ist nett eingerichtet und die stolzen Großeltern stehen Spalier. Für 17 junge Frauen, die am Mittwoch in Freising angekommen sind, schaut die Zukunft allerdings nicht so rosig aus. Sie müssen zumindest einen Teil ihrer Schwangerschaft in dem Notquartier verbringen, welches das Landratsamt für ankommende Asylbewerber in der Turnhalle der Wirtschaftsschule eingerichtet hat. Auf der Liste derjenigen, die so schnell wie möglich in eine dezentrale Unterkunft übersiedeln sollten, stünden diese Frauen natürlich ganz oben, versichert Eva Dörpinghaus, Sprecherin des Landratsamts.

Für den Betreuerstab der Behörde ist die Nachricht, dass schwangere Asylbewerberinnen eintreffen, "kein einzigartiges Ereignis", wie Dörpinghaus betont. Doch bislang waren die betroffenen Frauen stets in dezentralen Unterkünften untergebracht. Im Vergleich zu der Notunterkunft in der Turnhalle herrscht dort schon fast eine heimelige Atmosphäre. In der aktuellen Lage aber muss eine junge Mutter mit ihrem Neugeborenen nach der Geburt möglicherweise zurück in das Notquartier, wo wenig Privatsphäre herrscht.

Im Umgang mit schwangeren Asylbewerberinnen habe das Landratsamt ein engmaschiges Netz geknüpft, erläutert Eva Dörpinghaus. Betreuer, sei es von Seiten der Behörden oder ehrenamtliche Helfer, kümmerten sich bis über die Geburt hinaus um die Mutter und ihr Baby. Die Frauen, die am Mittwoch eingetroffen sind, werden sich zunächst in die Obhut eines Gynäkologen begeben, der sich ein Bild von ihrer Schwangerschaft macht. Sie erhalten einen Mutterpass und Informationen über Vorsorgetermine.

Rückt der Termin der Entbindung näher, suche das Landratsamt nach einer Hebamme, informiert Eva Dörpinghaus weiter. Habe man dazu keine Zeit mehr, übernehme das Krankenhaus diese Funktion. Ist die werdende Mutter zu jung oder traumatisiert durch die Ereignisse während der Flucht, organisiert die Koordinierende Kinderschutzstelle (Koki) eine Familienhebamme. Die Kinder der Asylbewerberinnen kommen - je nach Standort der Unterkunft - in Freising, Mainburg oder in einer Klinik der benachbarten Landkreise zur Welt. In den Unterkünften hängen die Notrufnummern aus, falls die Wehen vorzeitig einsetzen. Helferkreis oder Betreuer durch das Landratsamt stehen zur Seite. Die Behörde organisiert auch die Betreuung bereits vorhandener Kinder.

Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus kümmert sich die Hebamme um die Nachsorge. Bereits vor der Geburt erhalten die jungen Mütter ein "Erstgeborenenpaket" mit Babyschlafsack, Kleidung und anderer Säuglingsausstattung wie gebrauchte Kinderwagen, Bettchen und Badewanne. Helferkreis oder Landratsamt stellen den Kontakt zum Kinderarzt her.

Die Kinder der Flüchtlinge übernehmen die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern. "Die Chance auf die deutsche Staatsbürgerschaft besteht nicht", sagt Peter Mitterhofer vom Freisinger Standesamt. Dies liege daran, erläutert er, dass in Deutschland das Abstammungsprinzip gelte. Im Gegensatz dazu herrscht etwa in den Vereinigten Staaten das Territorialprinzip. Das bedeutet, dass ein Kind, das auf amerikanischem Hoheitsgebiet geboren wird - und sei dies auch nur ein Schiff oder ein Flugzeug - automatisch US-Bürger ist. Kinder von Flüchtlingen können erst die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben, wenn ihre Eltern nachweislich ununterbrochen acht Jahre lang in Deutschland gelebt haben.

© SZ vom 02.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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