Helfer in Sorge:Rentner drängen an die Tafeln

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Die Altersarmut nimmt zu. Das registrieren auch die Organisationen für Wohltätigkeit in Freising und Hallbergmoos

Von Gerhard Wilhelm, Freising

Die Tafel in Freising richtet einen zweiten Ausgabetag ein, die Hallbergmooser Tafel hat bei der Gemeinde angefragt, ob es Möglichkeiten gibt, ihre Räume zu erweitern. Bei beiden ist der Grund derselbe: Immer mehr Menschen sind auf die Lebensmittelspenden der Einrichtungen angewiesen, um über die Runden zu kommen. Während bei der Hallbergmooser Tafel - die auch Bedürftige aus Eching und Neufahrn versorgt - vor allem Alleinerziehende, Großfamilien und Rentner zu den Kunden zählen, sind es in Freising mittlerweile zu 40 Prozent Flüchtlinge. Die stehen in Hallbergmoos außen vor. "Wir stehen dazu, dass wir auch für diese Menschen da sind, denn die haben auch nichts zu lachen", sagt der Freisinger Tafel-Vorsitzende Peter Bach.

"Seit Sommer beobachten wir einen leichten, kontinuierlichen Anstieg bei den Kunden", sagt Bach. Während es Mitte 2015 noch unter 200 waren, kommen jetzt in der Spitze etwa 250 Menschen. Mit den Angehörigen der Kunden werden derzeit wöchentlich mehr als 500 Personen unterstützt. Zehn bis 20 Neukunden seien zuletzt pro Woche aufgenommen worden, sagt Bach.

Auch in Hallbergmoos ist der Trend festgestellt worden. "Die Zahl nimmt stetig zu", sagt Tanja Voges, die Leiterin der dortigen Tafel. Zur Zeit kommen etwa 150 Kunden am Ausgabetag, damit würden etwa 340 bis 350 Menschen mit Lebensmittel versorgt werden - vor sechs Monaten waren es noch 300. Da in Hallbergmoos Asylbewerber erst unterstützt werden, wenn sie anerkannt sind, besteht das Klientel vor allem aus Alleinerziehenden, Großfamilien und Rentnern. Und gerade die letzte Gruppe macht Voges große Sorgen. "Die Altersarmut nimmt ständig weiter zu", sagt sie. Man würde wohl bei der Tafel nur die Spitze sehen, weil sich viele ältere Menschen schämten, zu kommen. "Sie haben ein Leben lang gearbeitet und verstehen jetzt gar nicht, warum sie im Alter auf Hilfe angewiesen sind und wollen sich das lange nicht eingestehen." Mit größeren Räumen will man in Hallbergmoos gewappnet sein für steigende Kundenzahlen, ohne auf die Café-Ecke und das Angebot "Hilfe zur Selbsthilfe" verzichten zu müssen.

In Freising war bisher nur jeder fünfte Kunde Rentner, aber auch Peter Bach vermutet, dass die Zahl steigen wird. "Die Altersarmut wird noch akuter werden." Seitdem die Flüchtlingszahlen bei der Tafel deutlich höher geworden sind, hat Bach zudem eine größere Fluktuation am bisherigen Ausgabetag, den Mittwoch, festgestellt. Er hat den Verdacht, dass sich vor allem ältere Menschen von den langen Wartezeiten haben abschrecken lassen. "Zwei bis drei Stunden sind schon lange", sagt der Tafelvorsitzende. Und deshalb wurde ein zweiter Ausgabetag am Donnerstag eingeführt. Der Mittwochvormittag soll den Altkunden vorbehalten bleiben, sagte Bach und appelliert an sie, sich nicht mehr abhalten zu lassen und wieder zu kommen.

Das "große Glück" bei allen Tafeln ist, dass die Spendenbereitschaft an Lebensmitteln unvermindert hoch ist. "Da muss ich allen dankbar sein", sagt Bach. Und solange dies anhalte, werde die Freisinger Tafel an Bedürftige Lebensmittel ausgeben. "Aber ich habe die Furcht, dass wir irgendwann überrollt werden." Auch darüber hat man sich bei den ehrenamtlichen Helfern schon Gedanken gemacht: "In Landshut ist man dazu übergegangen, nur noch Flüchtlingsfamilien zu helfen, nicht aber Alleinstehenden. Und bei der Bundestafel wird durchaus der allgemeine Aufnahmestopp empfohlen."

"Noch einigermaßen normal", so Julia Schmidbauer, ist die Situation bei der Tafel in Moosburg. Etwa 250 Menschen werden dort mit Lebensmittel versorgt. Die Flüchtlinge im Erstaufnahmelager werden vom Landkreis betreut.

© SZ vom 22.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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