Hebammen  warnen:Ein Berufsstand in Not

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Schon seit längerem demonstrieren die Hebammen für bessere Arbeitsbedingungen. Sie sehen ihren Berufsstand in Gefahr. (Foto: dpa)

Die Haftpflichtprämie für Hebammen ist erneut gestiegen. Über 6000 Euro im Jahr müssen die Geburtshelferinnen nun zahlen, um sich abzusichern. Viele können das nicht erwirtschaften und hören auf. Das könnte zu Problemen führen

Von Gudrun Regelein, Freising

"Hebammen vor dem Aus!". Das stand auf einem der Plakate, welche die Teilnehmerinnen bei einer kürzlich vom Deutschen Hebammenverband organisierten Demonstration in Berlin dabei hatten. Der Grund für ihren Protest: Erneut ist die Haftpflichtprämie der freiberuflichen Hebammen zum 1. Juli angestiegen. Bis zu 23 Prozent mehr, durchschnittlich 6274 Euro im Jahr, müssen Geburtshelferinnen nun zahlen - 2003 waren es noch knapp 500 Euro gewesen. Mit dem Verdienst als Hebamme ist das kaum noch zu erwirtschaften. Für viele ist die erneute Erhöhung also zu viel. Auch im Landkreis Freising werde das wohl für einige der verbleibenden 30 Hebammen das Aus bedeuten, befürchtet Annette Fußeder, Hebamme und Leiterin der Elternschule Freising.

Hebammen sind gesetzlich dazu verpflichtet, ihre Berufstätigkeit durch eine Berufshaftpflichtversicherung abzusichern für den Fall, dass es bei einer Geburt zu unerwarteten Schwierigkeiten kommt. Eigentlich sollte ein Sicherstellungszuschlag der Krankenkassen die hohen Versicherungskosten für die Hebammen abfedern. Aber die Verhandlungen zwischen dem Deutschen Hebammenverband und dem Spitzenverband der Krankenkassen sind gescheitert. Nun müssen die freiberuflichen Hebammen die erneute Anhebung der Jahresprämie alleine schultern.

Schon jetzt gebe es bundesweit immer weniger Hebammen - und diese Tendenz mache sich mittlerweile auch in Freising bemerkbar, sagt Annette Fußeder. "Im Sommer könnte es eng werden. Da werden einige junge Mütter wohl keine Hebamme mehr finden, die sie im Wochenbett betreut." In München sei die Situation bereits jetzt extrem angespannt, Frauen mit Wehen würden von Klinik zu Klinik geschickt, bereits ein Drittel finde nach der Geburt keine Hebamme für die Betreuung im Wochenbett. Und auch die Freisinger Hebammen seien ausgelastet, die Kapazitätsgrenze sei erreicht. Das habe auch noch andere Konsequenzen, berichtet die Leiterin der Elternschule. Gerne würde sie nämlich eine Betreuung für die 17 schwangeren Asylbewerberinnen, die Anfang Juli in der Turnhalle der Freisinger Berufsschule untergekommen sind, organisieren - beispielsweise eine Sprechstunde anbieten. "Aber wie wir das hinkriegen sollen, das weiß ich nicht."

Viele der etwa 30 Hebammen im Landkreis Freising sind bereits aus der Geburtshilfe ausgestiegen, denn "da ist es nur schwer möglich, auf seine Kosten zu kommen", sagt Annette Fußeder. Viele arbeiten mittlerweile auch nur noch in der Vor- und Nachsorge, denn so können sie sich die teure Versicherungsprämie sparen. "Wir haben auf den Zuschlag der Krankenkassen gehofft, aber derzeit sieht es nicht nach einer Einigung aus." Die immer weiter ansteigende Haftpflichtprämie könnten sich Hebammen auf Dauer nicht leisten: "Das bedroht unseren Berufsstand", befürchtet Fußeder. Von einer bekannten Hebamme habe sie kürzlich erfahren, dass in der Hebammenschule in Berlin, die 30 Ausbildungsplätze anbietet, die Bewerberzahlen bereits extrem gesunken seien: Von etwa 1000 Bewerberinnen in den vergangenen Jahren auf nun gerade einmal 40. "Mich wundert das nicht."

Auch Beate Götz, die im vergangenen Jahr ein Geburtshaus in Sünzhausen eröffnete, weiß von vielen Frauen, die Probleme haben, eine Hebamme zu finden, die sie bei einer Hausgeburt betreut. Die häufig nur in Teilzeit arbeitenden Hebammen könnten sich die hohe Versicherungsprämie kaum mehr leisten. "Wenn eine Hebamme nicht sehr viele Geburten betreut, dann ist es für sie fast nicht mehr rentabel", erklärt Beate Götz.

Viele Hebammen würden mittlerweile lieber im Krankenhaus nach einem festen Dienstplan arbeiten, oder böten den Frauen nur noch die Vor- und Nachsorge an. Für viele rentiere es sich auch gar nicht mehr, ihren Beruf auszuüben. "Ich selber spüre das auch, es wird immer schwieriger, Aushilfen für das Geburtshaus zu finden", schildert Beate Götz die Situation. Die leitende Hebamme im Klinikum Freising, Beate Giesing, hat bereits die Rechnung mit der erneut gestiegenen Prämie bekommen. Viele ihrer Kolleginnen hätten auf den Zuschlag gehofft, um die Prämie finanzieren zu können - aber eine Einigung sei nicht in Sicht. "Es geht nichts weiter, allmählich wird man müde", beschreibt Giesing. Sie sei seit 36 Jahren Hebamme, sie liebe ihren Beruf. Aber wenn sie heute noch einmal vor der Wahl stünde, dann würde sie sich wohl für einen anderen entscheiden.

© SZ vom 13.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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