Geschichtsstunde:Zum Vorteil des Bistums

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Knut Görich ordnet im Asamfoyer Otto von Freisings Erzählungen über die Königswahl seines Neffen Barbarossa ein

Von Tobias Wagenhäuser, Freising

Am Hauptportal des Freisinger Doms sitzen sie immer noch nah beieinander, Kaiser Friedrich I. und sein Onkel Otto von Freising. Otto war nicht nur Freisinger Bischof, sondern auch einer der bedeutendsten Geschichtsschreiber des Mittelalters. Von einer seiner Schriften handelte auch der Vortrag des Historischen Vereins am Montagabend. Ins Asamfoyer kamen dazu wieder über hundert Besucher und lauschten dieses Mal Knut Görich, Professor für Geschichte des Früh- und Hochmittelalters an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Schon wer den Titel von Görichs Vortrag las, konnte ahnen, dass es anspruchsvoll zugehen würde an diesem Abend. "Konstruktion der Wirklichkeit: Otto von Freising berichtet über Barbarossas Königswahl", lautete die Überschrift. Und tatsächlich blieb nicht jedes Auge der Zuhörer bis zum Schluss geöffnet. Dem Professor war das offenbar ein bekannter Umstand. Denn bei all den Namen von Herrschern, Königen, Herzögen und Fürsten könne man schon einmal die Übersicht verlieren. Das sei ganz normal, so Görich, zumal zu so später Stunde.

Zur Debatte stand freilich ein Thema mit Freising-Bezug. Nämlich die Objektivität der Gesta Friderici, also die Erzählung Ottos von Freising über Friedrich I., der wegen seines rötlichen Barts Jahrhunderte später den Beinamen Barbarossa erhielt. In diesem Text berichtet der Freisinger Bischof auch über die Geschehnisse der Wahl Barbarossas, seines Neffen, zum König des römisch-deutschen Reiches.

Das Spannende war, dass eigentlich der Sohn des verstorbenen Königs gewählt werden sollte, doch durch geschickte Schachzüge gelang es Barbarossa, obwohl lediglich Neffe des Königs, sich den Thron zu sichern. Innerhalb von nur drei Wochen war er der neue Königs eines Imperiums, das später von Dänemark bis Sizilien reichte. Wie es zu Friedrichs Wahl kam veranschaulichte Görich am Montag auch mithilfe von Karten, einer Stammtafel mittelalterlicher Dynastien und Auszügen aus Ottos Chronik.

Görich erklärte seine These, dass es dem Freisinger nicht an einem Tatsachenbericht gelegen habe, sondern seine Chronik als Geschenk an Barbarossa dem Bistum Freising Vorteile verschaffen sollte. Schließlich schrieb Otto fünf Jahre nach der Wahl, während der noch ausstehenden Schlichtung des Streits um die Isarbrücke - bekanntlich der Anfang der Geschichte Münchens. Dass das Kalkül Ottos nicht aufgehen würde, konnte er damals nicht wissen. Und so verschweigt er manchen Schachzug Barbarossas und beschreibt ihn als den gottgegebenen "Eckstein", und als die einzige vernünftige Wahl zur Wahrung des Reiches.

Für die Nachwelt aber - und besonders für Historiker wie Görich - haben sich die Mühen des Freisingers natürlich dennoch gelohnt. Seine Werke gehören zu den wichtigsten Quellen des Mittelalters.

Am Ende dankte der Vereinsvorsitzende, Günter Lehrmann, für eine "spannende und anschauliche" Führung durch die politische Gemengelage des 12. Jahrhunderts. Der nächste Vortrag des Historischen Vereins findet am Montag, 14. März, im Asamfoyer statt. Dann rückt um 19.30 Uhr die Kunstgeschichte in den Fokus. Benjamin Sommer vom Bayrischen Nationalmuseum spricht über die mittelalterlichen Bodenfliesen aus dem Kloster Neustift.

© SZ vom 24.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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