Gemeinsames Fastenbrechen am Marienplatz:Toleranz ist möglich

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Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen versammeln sich am Freitag zum gemeinsamen Fastenbrechen der islamischen Gemeinde auf dem Marienplatz und erleben einen beeindruckenden Abend.

Von Rebecca Seeberg, Freising

Mit zehn Zentimeter hohen High-Heels und wehendem Haar stöckelt die junge Frau über den Marienplatz. Sie blickt suchend um sich und entdeckt ihre Freundin. Um ihre ausdrucksstarken Gesichtszüge zu betonen, hat diese ihre Augenbrauen nachgemalt, tiefroten Lippenstift aufgetragen - und trägt ein buntes Kopftuch. Gleich neben ihr tollen zwei Kinder, ein kleines Mädchen mit afrikanischen Zöpfen und ihr Freund, der eine Takke, ebenfalls eine muslimische Kopfbedeckung, trägt, während dessen Vater im traditionellen afrikanischen Gewandt das Geschehen wohlwollend betrachtet. Am Freitagabend finden sich Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen auf dem Marienplatz ein.

Alle, Christen, Atheisten oder Muslime, sind geladen, um zusammen mit der muslimischen Gemeinde das Ende des Fastenmonats Ramadan zu begehen, das Fastenbrechen. Initiatoren sind die beiden Leiter des Musikvereins 3klang, Gottfried Herrmann und Ilknur Kurtulus, die das Zamma-Festival als ideale Möglichkeit sehen, die Religionen zu verbinden. Das Fastenbrechen ist eine seit Jahrhunderten bestehende Tradition im Islam. So scheint sich an diesem Abend die gesamte muslimische Gemeinde Freisings auf dem Marienplatz eingefunden zu haben.

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Pünktlich zum Sonnenuntergang um 21.21 Uhr darf mit dem Essen begonnen werden. Vom Service-Team, das aus jungen Männern der islamischen Gemeinde Freising besteht, wird das Menü serviert. Dabei ist es egal, ob die Menschen gerade einen zehrenden Fastenmonat hinter sich haben oder erst vor einer Stunde zu Abend gegessen haben. Die Tische biegen sich unter der Last der exotischen Köstlichkeiten. Eine Besucherin betrachtet das Tablett, auf dem Datteln, Brot, Gemüse und Süßspeisen drapiert sind und staunt über die Großzügigkeit der muslimischen Gemeinde,"und es beweist, dass Toleranz und ein friedliches Miteinander möglich sind". Mesat Koç, der türkische Generalkonsul, der das Fastenbrechen ebenfalls in Freising begeht, bezeichnet den Abend gar als eine der wichtigsten Veranstaltungen, die er im vergangenem Jahr besucht hat.

Gregorianische Choräle, Gospel und das Universallied "Hallelujah" von Leonard Cohen

An diesem Abend klingt nicht nur Geschirrgeklapper über den Marienplatz, sondern auch Musik aus Islam und Christentum. Im schwarzen Kleid und roten Bolerojäckchen singen die türkische Sopranistin Öykü Sensöz und die deutsche Sängerin Tanja Maria Froidl erst einen Lobgesang auf die Jungfrau Maria und dann ein Stück des bekannten persischen Dichters Yunus Emre. Die Chöre und Ensembles der evangelischen und katholischen Gemeinde begeben sich auf eine Zeitreise durch die geistliche Musik - gregorianische Choräle, Vokalmusik der Romantik, bis hin zu Gospel und dem modernen Universallied "Hallelujah" von Leonard Cohen. Auch die geistliche Instrumentalmusik im Islam kommt nicht zu kurz. Mit Rohrflöte, Rahmentrommel, Zither und Laute präsentiert ein professionelles Ensemble des 3klang Sufi-Musik.

Sufismus ist eine Glaubensrichtung im Islam, deren Anhänger sowohl in ihrer Musik, als auch im Gebet die Sehnsucht nach der verlorenen Einheit mit Gott ausdrücken wollen. Sema nennen die Sufis dieses Gebet, Semazen nennt man die Betenden, besser bekannt als die tanzenden Derwische. Begleitet vom Deutsch-Türkischen Chor von 3klang laden die Derwische des Mevlana Ordens aus Nürnberg am späteren Abend dazu ein, sie bei ihrem mystischen Tanz zu betrachten. Die Musik entfaltet sich zu einem rhythmischen Sprechgesang - wie eine Meditation. Die sechs Sufis drehen sich dazu fast pausenlos, die eine Hand gen Himmel gereckt, die andere Richtung Erde. Das linke Bein fungiert als Achse, während jeder Schritt mit dem Rechten ein gechantetes "Allah" symbolisiert.

"Simsalabim, Abrakadabra", sagt Achmed Al Khalifa, Vorsitzender der Moschee Freimann. Es gebe so Vieles, was Moslems und Christen gemeinsam hätten - der eine Gott, die Musik oder eben Wörter des gleichen Ursprungs. Al Khalifa hat eine Botschaft an jeden, der sagt, der Islam sei fremd: "Kommt nach Freising!"

© SZ vom 13.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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