Gelungenes Format:Bei Jugenddiskussion fliegen die Fetzen

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Die Bundestagskandidaten Andreas Mehltretter, Kerstin Schnapp, Robert Weller, Erich Irlstorfer, Reinhold Deuter, Guido Hoyer, Reinhold Beck, Thomas Neudert und Johannes Huber stellen sich den Fragen. (Foto: Marco Einfeldt)

50 Junge Menschen kommen, um neun Bundestagskandidaten Fragen zu ihrer Politik zu stellen. Es wird ein spannender Abend, bei dem sich deutliche Positionsunterschiede festmachen lassen

Von Tobias Weiskopf, Freising

Da soll noch mal jemand behaupten, junge Leute interessierten sich nicht für Politik. Etwa fünfzig Jugendliche sind am Freitagabend auf Einladung des Kreisjugendrings ins "Alte Juz" an der Kölblstraße gekommen, um mit den Direktkandidaten zu diskutieren. Einzig nicht anwesend war Robert Prado-Diaz von der Bayernpartei. Das Format: Fish-Bowl, also zehn Stühle, neun Politiker, ein freier Platz. Dort durften sich die Jugendlichen setzen, um ihre Fragen in die Runde zu werfen. Zur Seite stand ihnen Kerstin Vogel, Redaktionsleiterin der Freisinger SZ, die den Abend moderierte.

Zunächst hatten die Politiker zwei Minuten Zeit, ein Statement abzugeben, was sie im Bundestag umsetzen möchten und vor allem, warum die Jungwähler ihnen ihre Stimme geben sollen. Für die Fragen der Jugendlichen hatten die Kandidaten je eine Minute Zeit, zu antworten. Dann wurde das Licht dunkler, leuchtete rot auf und nach weiteren 20 Sekunden ertönte eine Tröte - das endgültige Signal, dass die Redezeit vorbei war.

Den Anfang machten zwei Mädchen, die bestens vorbereitet schienen und mit fundierten Fragen beeindruckten. Für die größte Kontroverse sorgte der 15-jährige Veldin mit seiner Frage an den AfD-Kandidaten Johannes Huber. Der junge Muslime wollte eine Aussage des Politikers zu einem Wahlplakat seiner Partei, auf dem ein Ferkel mit dem Satz "Der Islam passt nicht zu unserer Küche" abgebildet war. Huber wirkte überrascht und entgegnete, es müsse sich um eine Verwechslung handeln, der Slogan hieße: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland." Doch Veldin zückte sein Smartphone mit einem Beweisfoto. Der AfD-Kandidat meinte daraufhin, es hinge zumindest nicht in Bayern. Doch auch hier lag er falsch. Das Foto stammte aus Dachau, woraufhin der CSU-Bundestagsabgeordnete Erich Irlstorfer sarkastisch in die Runde fragte: "Dachau gehört aber zu Bayern, oder?" Tosender Applaus für Veldin, laute Lacher für Johannes Huber. Doch der AfD-Politiker nahm Stellung und erklärte, es gebe kulturelle Unterschiede, und der Verzicht auf Schweinefleisch sei nicht der deutsche Regelfall.

Hitzig wurde die Debatte auch beim Thema Migration, insbesondere beim Umgang mit straffälligen Flüchtlingen. Die Ausgangsfrage an Irlstorfer: "Sind Sie für eine Obergrenze?" Weder Angela Merkels "Wir schaffen das" noch Seehofers Obergrenze sei der richtige Weg, meinte der CSU-Politiker. Menschen ohne Bleiberecht müsse man aber zurückführen - insbesondere straffällige Geflüchtete. Daraufhin warf eine Zuschauerin ein, Abschiebung in Kriegsgebiete bedeute häufig den Tod, das sei quasi wie die Todesstrafe. Irlstorfer entgegnete, wer das Asylrecht missbrauche, habe in Deutschland nichts zu suchen. Die Zuschauerin forderte, solche Straftäter - wie alle anderen auch - in deutschen Gefängnissen einzusperren, denn kein Mensch habe den Tod verdient. Die Konversation war zwischenzeitlich so aufgeheizt, dass Robert Weller (Freie Wähler) dazwischen ging und fand, es sei von beiden Sei-ten zu populistisch geworden. Er gab Irlstorfer in vielen Punkten recht, stellte jedoch unisono mit Kerstin Schnapp (Grüne) klar, dass jeder, der in Deutschland eine Straftat begehe, nach deutschem Recht verurteilt und hier inhaftiert werden müsse.

Da ein großer Teil der Anwesenden noch unter 18 war und somit am Sonntag nicht wahlberechtigt, kam von der 16-jährigen Malena die Frage nach einem Absenken des Wahlalters. Das begrüßten vor allem die Kandidaten von Piraten, Grüne, SPD und Linke. ÖDP-Kandidat Reinhold Reck ging noch weiter und forderte ein Familienstimmrecht. Robert Weller (Freie Wähler), verwies auf die am Freitag stattfindenden U18-Wahl, bei der sich Minderjährige politisch ausdrücken können. Das reichte Malena nicht, im Landkreis gebe es nur zwei Wahllokale, und wirklich mitbestimmen könne sie so nicht. Weller erklärte, es gäbe auch andere Möglichkeiten, sich zu engagieren und etwas anzustoßen.

Und weil nach zwei Stunden Diskussion immer noch viele Fragen offen blieben, standen die Politiker im Anschluss für Gespräche zur Verfügung, im kleinen Kreis wurde bis spät in den Abend debattiert. Wer am meisten überzeugte, da gingen die Meinungen auseinander. Fast jeder Kandidat fand seine Fangemeinde. Während die meisten Erstwähler sich mit der Zweitstimme schon sicher waren, haben sie nun auch eine Vorstellung, bei welchem Direktkandidat sie das Kreuz machen.

© SZ vom 18.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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