Für eine bessere Kommunikation:"Kulturelles Verhalten kann man lernen"

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Heidelore Riss promovierte in Theater- und Musikwissenschaft und ließ sich zur Xpert-CCS®-Trainerin ausbilden. (Foto: Marco Einfeldt)

Heidelore Riss zeigt in Kursen an der Volkshochschule, welche Werte, Einstellungen oder sozialen Konventionen für Menschen in anderen Ländern gelten, wie man sie erkennt und mit ihnen umgeht

interview Von Maika Schmitt, Freising

Heidelore Riss bietet an der Volkshochschule in Freising Kurse in interkultureller Kommunikation für Menschen an, die im interkulturellen Kontext arbeiten oder sich für die Thematik interessieren. Sie studierte Theater- und Musikwissenschaft in München und promovierte in diesen Fächern. Nach dem Studium folgten Tätigkeiten als Lektorin, Übersetzerin und Lehrkraft für Deutsch als Fremdsprache und in Integrationskursen. Selbst mit Problemen der interkulturellen Kommunikation konfrontiert, ließ sie sich zur Xpert-CCS®-Trainerin ausbilden. Der nächste Kurs findet am Samstag, 23. April, statt. Interessierte können sich bei der Volkshochschule Freising anmelden.

Was ist interkulturelle Kommunikation?

Heidelore Riss: Unser ganzes Verhalten, wie wir uns begrüßen, welches Essen uns schmeckt, wie wir auf Trauer, auf Freude reagieren, das machen wir einfach so. Es ist selten eine bewusste Entscheidung und genau das ist Teil unserer kulturellen Identität: Nicht-reflektiertes Verhalten. In unserem eigenen kulturellen Umfeld funktioniert das natürlich, aber wenn jemand mit anderen Werten und Vorstellungen kommt und diese intuitive Kommunikation nicht mehr reibungslos stattfindet, entsteht der Bedarf für interkulturelle Kommunikation.

Kann man eine andere Kultur "lernen"?

Die Idee der interkulturellen Kommunikation geht davon aus, dass man kulturelles Verhalten und Agieren erlernen kann. Natürlich hat das seine Grenzen. Viele Leute denken, dass interkulturelle Kommunikation für sie kein Problem sei, wenn sie zum Beispiel im Ausland gut zurecht gekommen sind. Aber oft ist dann die Frage: warum sind sie gut zurecht gekommen? Haben sie wirklich erkannt, um was es geht? Es gibt da vielleicht Werte, Einstellungen oder soziale Konventionen unter der Oberfläche, zu denen sie gar nicht vorgestoßen sind.

Wie sind Ihre Seminare denn aufgebaut?

Es gibt eine Reihe theoretischer Ansätze und Erklärungsmodelle hinter dieser Problematik. Das Seminar kann uns zeigen, auf welchen Werten unser Verhalten beruht und dass der Blick durch unsere eigene kulturelle Brille, unseren Blick auf die Welt bestimmt und manchmal auch verzerrt. Was bedeutet das eigentlich, wenn ich zum Beispiel nicht über Geld oder Religion spreche? Jede Kultur hat unterschiedliche Vorstellungen darüber, was angesprochen werden darf und was nicht, und ich möchte anstoßen, darüber nachzudenken. Das läuft natürlich auch über Fallbeispiele.

Welche denn zum Beispiel?

Ein klassisches Beispiel ist der schimpfende Lehrer. Die türkischen und asiatischen Schüler allgemein schauen dann oft zu Boden und sagen gar nichts mehr. Da kommt dann die typisch deutsche Reaktion: "Sieh mich bitte an, wenn ich mit dir rede". Denn ich erwarte ja, dass sie mich anschauen und annehmen, was ich sage. Aber in anderen Kulturen, da schaue ich die Autoritätsperson in so einer Situation eben nicht an. Für einen Lehrer ist das oft schwierig. Wenn der Lehrer aber weiß, dass es kein Zeichen von Respektlosigkeit ist, wenn der Schüler zu Boden blickt, bedeutet es für ihn schon weniger Stress.

Was wäre denn ein Lösungsansatz für das Lehrer-Schüler-Beispiel?

Es geht vor allem darum, dass man erkennt: ich fühle mich unwohl in dieser Situation, aber das ist vor allem mein Problem, ich muss mein Verhalten ändern. Man sollte einen Schritt zurückgehen und die Situation reflektieren. Das ist natürlich sehr schwierig. Denn da muss ich bei mir anfangen.

Stellt das die eigene Identität nicht auch in Frage?

Ja, durchaus. Selbstreflexion ist wichtig, aber eine schwierige Sache. Die eigene Kultur in Deutschland wird ja im Allgemeinen nicht reflektiert. Wenn diese nun durch das Verhalten einer Person aus einer anderen Kultur in Frage gestellt wird, ist das natürlich schwierig, weil ich mich über meine Kultur ja auch identifiziere. Die Leute sagen oft: klar, andere Kulturen sind anders, das muss man akzeptieren, aber oft impliziert das eine Abwertung der anderen Kultur. Wichtig ist, zu akzeptieren, dass nicht nur mein Weg zum Ziel führt, sondern dass es viele Möglichkeiten gibt, die alle gleichwertig sind.

Meinen Sie das mit "Das Fremde im Eigenen erkennen"?

Genau, darum geht es: zu erkennen, wie bedingt mein Verhalten und meine Maßstäbe bezogen auf die Gesellschaft sind, in der ich jetzt lebe. Welche Werte habe ich eigentlich, die mich so handeln lassen. Dann verstehe ich auch eher, warum mich das Verhalten einer Person aus einem anderen Kulturkreis so stört und vielleicht auch verunsichert.

Gibt es denn dieses "typisch Deutsche"?

Naja, es ist schon oft so, dass es einen Plan gibt, der abgearbeitet werden muss. Dieser Wert, eine Struktur zu etablieren und die dann zu verfolgen, ist bei vielen Deutschen da. Aber das zu erkennen, ist ja schon mal ein erster Schritt. Es geht ja auch überhaupt nicht darum, die eigenen Werte zu verleugnen, sondern sich diese bewusst zu machen. Ich merke das auch in den Seminaren, viele kommen mit Problemen und wollen dann ein Patentrezept, wie sie damit umgehen können. Aber, das ist wichtig: es gibt keine Patentrezepte. Es kommt immer auf die Situation an und natürlich auf die Personen, die da aufeinandertreffen.

© SZ vom 20.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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