Für Betroffene ist es das Highlight der Woche:Raus aus der Isolation

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Im neu eröffneten Café Malta können sich Demenzkranke regelmäßig treffen - für sie bedeutet das ein wenig Abwechslung im Alltag, ihre Betreuer bekommen einmal in der Woche eine kleine Auszeit

Von Angie Fuchs, Freising

Kaum eine andere Krankheit wird so oft veralbert wie Demenz, besonders eine Form davon: Alzheimer. Im Freundeskreis, unter Kollegen, in manchen TV-Sendungen: Wer etwas vergessen hat, wird schnell augenzwinkernd gefragt: "Hast Du Alzheimer?". Dass die Krankheit für Betroffene und Angehörige aber schnell zur Isolation führen kann, ist den Wenigsten klar.

Gerade am Anfang der Erkrankung sei den Menschen durchaus bewusst, dass irgendwas anders ist und dass sie etwas vergessen haben, erklärt Saskia Lenz vom Malteser-Hilfsdienst und Leiterin der Demenzarbeit im neu eröffneten Café Malta. "Das ist ihnen peinlich." Und deshalb sei die Strategie "Ich sag lieber gar nichts, dann sag ich nichts Falsches" bei Demenz-Patienten recht häufig. Folge: Freunde und Bekannte ziehen sich ebenfalls zurück - entweder weil sie nichts von der Krankheit ahnen und das Verhalten komisch finden oder weil sie nicht mit der Krankheit umgehen können. Einsamkeit ist die Folge.

Willkommen im Café Malta: Leiterin Saskia Lenz (von links) mit Pia Riederer Freifrau von Paar (Kreisbeauftragte des Malteser-Hilfsdienstes) und Sabine Rube (Referentin für Demenzarbeit). (Foto: Marco Einfeldt)

Mit der Eröffnung des Café Malta am Montag soll Demenz-Patienten in Freising ein Stück Lebensqualität zurückgegeben werden. "Wir wollen die Leute aus der Isolation zu Hause herausholen", sagt Lenz. Jeden Donnerstag können sich in den Räumen des Malteser-Hilfsdienstes sechs Demenz-Patienten treffen, gemeinsam frühstücken und dann zusammen mit den haupt- und ehrenamtlichen Begleitern entscheiden, wie der Vormittag gestaltet werden soll: Von malen über Gesellschaftsspiele bis hin zu Spaziergängen oder Marmelade einkochen sei vieles denkbar, so Lenz. Aber es sei auch in Ordnung, wenn jemand mal nur in Ruhe Zeitung lesen wolle. "Im Münchner Café Malta hat sich herausgestellt, dass dieser Termin für viele das Highlight der Woche ist", erzählt Lenz.

Dass es sich um kein alltägliches Café handelt, wird klar, wenn Lenz ein paar Beispiele ihrer Arbeit erzählt: Viele der Patienten seien "weglaufgefährdet" - nicht, weil es ihnen irgendwo nicht gefällt, sondern weil sie manchmal einfach spontan spazieren gehen und sich bewegen wollen. Neben Lenz werden immer mindestens zwei speziell geschulte Ehrenamtliche anwesend sein, deshalb stelle es kein Problem dar, mit der Gruppe oder Einzelnen mal einen Spaziergang zu unternehmen. Der Einsatz der Haupt- und Ehrenamtlichen ist auch gefragt, wenn es Streit gibt: Schon die Frage "Wie alt bist Du?" könne zwischen zwei Patienten zu einer Diskussion führen, die sich hoch schaukle, so Lenz. Warum? Wenn der Gefragte sich gerade jung fühlt, sei es gut möglich, dass er "17" antwortet. Sein Gegenüber fühle sich nicht ernst genommen und reagiere entsprechend. Hier schlichten die Betreuer oder sorgen für einen eleganten Themenwechsel - oder, wenn alles nichts hilft, "trennen wir die Streithähne". Die Idee, ein Café Malta auch in Freising zu eröffnen, habe die Kreisbeauftragte, Pia Riederer Freifrau von Paar gehabt, erzählt Monika Schöpfer, Kollegin von Saskia Lenz. Gemeinsam habe man sich Mitte 2016 an die Planung gemacht. "Es war ein langer Weg", sagt Schöpfer. Doch nun kann es losgehen. Einige Schnupper-Anmeldungen gebe es schon, sagt Lenz, aber es sind noch Plätze frei.

Wichtig ist der Leiterin des Café Malta ein "gemütliches Miteinander". "Hier ist es nicht so steril wie im Krankenhaus." Es sei auch kein pures Betreuen, sondern ein Miteinander auf Augenhöhe. Eine Voraussetzung dafür sei ein ausführliches Vorgespräch mit Patient und Angehörigen. So erfahre man mehr über Interessen, Vorgeschichte und Ängste der Café-Besucher.

Saskia Lenz wünscht sich eine feste Gruppe. "So können auch Freundschaften entstehen." Sollte es deutlich mehr Interessenten geben, könne ein zweiter Termin in Betracht gezogen werden. Allerdings weist sie darauf hin, dass die Teilnahme nur für Patienten im Anfangsstadium möglich ist, da man für Pflegebedürftige nicht ausgestattet sei. Doch nicht nur die Patienten profitieren davon: "Wir möchten für die Angehörigen einen festen Freiraum schaffen", so Lenz. Immer donnerstags könnten sie beispielsweise einen Arzttermin wahrnehmen, schwimmen gehen oder was auch immer ihnen sonst nicht möglich ist.

© SZ vom 10.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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