Freisings Stadtkämmerin im  Interview:Zocken ist nicht ihr Ding

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Mathilde Hagl verwaltet die Finanzen der Stadt Freising gewissenhaft, geduldig und ganz ohne Zockermentalität. (Foto: Marco Einfeldt)

Mathilde Hagl verwaltet als Freisings Kämmerin einen Millionen-Haushalt. Wenn die Stadträte mal wieder allzu freigiebig mit dem Geld der Kommune umgehen wollen, dann ist sie es, die den Finger hebt und warnt

Von Christian Gschwendtner, Freising

Der dritte Stock im Freisinger Marcushaus. Es ist ein herrlicher Januartag mit strahlendem Sonnenschein und Freisings wohl mächtigste Frau, die Stadtkämmerin Mathilde Hagl, empfängt in ihrem Büro mit Panoramablick auf das Rathaus und den Marienplatz. Das hier ist also der Ort, von dem aus die Finanzgeschicke der Domstadt gelenkt werden. Zur Vorbereitung auf das Interview hat sich die Kämmerin den Haushaltsplan für 2016 ausdrucken lassen: ein echter Brocken, zehn Zentimeter dick. Er liegt jetzt neben allerlei nützlichem Krimskrams auf ihrem Schreibtisch. Den Tisch hat sie von einem gewissen Herrn Hagl von der Sparkasse übernommen, als dieser seine Bürogarnitur ausrangieren wollte. Man sei nicht verwandt oder verschwägert, sagt Mathilde Hagl. Der 60er-Jahre-Schick hat ihr jedenfalls gut gefallen. Auch sonst pflegt die Kämmerin einen nüchtern-pragmatischen Blick auf das Weltgeschehen.

SZ: Frau Hagl, alles wird teurer: die Westtangente, die Sanierung des Asamgebäudes, der Bahnposten 15. Haben Sie noch Spaß an ihrem Beruf als Kämmerin in Freising?

Mathilde Hagl: Ja, natürlich. Freising ist eine wachsende und dynamische Stadt. Entsprechend wachsen auch die Herausforderungen. Kernaufgabe des Kämmerers ist es, kritische Fragen zu stellen und das Ganze mit der entsprechenden Vorsicht zu begleiten.

Also kein Bauchweh bei den ungefähr 230 Millionen Euro, die in den nächsten zehn Jahren in Freising investiert werden sollen?

Nein, Bauchweh hab ich keins. Ob all diese Dinge finanzierbar sind und in welchem Zeitraum sie finanzierbar sind, das wird man in den Jahren sehen, in denen die Projekte anstehen. Wir stellen nichts in den Haushalt ein, was nicht guten Gewissens finanzierbar ist.

So viele Großprojekte in dieser Dichte hat es jedenfalls schon lange nicht mehr in Freising gegeben.

Genau deswegen sind die Haushaltsberatungen trotz guter Finanzsituation nicht einfach. Es wird ja auch ganz massiv um Beträge gefeilscht.

Wie lautet Ihre Standardabsage, wenn ein Stadtrat oder der OB mal wieder mehr Geld von Ihnen will?

So platt geht das nicht. ( lacht) Es gibt unterschiedliche Ausgabepositionen. Pflichtaufgaben müssen erfüllt werden. Der Gestaltungsspielraum bei Kostensteigerungen ist da gering. Bei freiwilligen Leistungen ist das anders. Da heißt es unter Umständen: Im Rahmen des Haushalts sind die nicht darstellbar.

Das wird dann akzeptiert?

Entscheiden tut das politische Gremium. Ich kann immer nur den Finger heben und warnen.

Stimmt das Gerücht, dass sich einige Stadträte vor Ihnen fürchten?

Das hab ich ja noch nie gehört ( lacht). Ich kann mir das nicht vorstellen. Aber die Politik hat natürlich andere Vorstellungen und Ideen. Da wird auch gerne mal ein Verein unterstützt. Nur die genaue Vorstellung, ob alle diese Ideen dann auch finanziell umsetzbar sind, die fehlt manchmal. Ich sage meine Sicht der Dinge schon deutlich, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen.

Wie entspannen Sie sich eigentlich nach einer langen Abendsitzung?

Es ist ganz gut, dass ich keinen Zwei-Minuten-Gehweg zur Arbeit habe. Nach so einer langen Sitzung geh ich zum Auto und fahr los. Das ist schon Entspannung. In aller Regel höre ich dann auf der Fahrt nach Hause B4-Klassik. Das Einzige, was ich da nicht vertrage, sind Klavierkonzerte oder eine Arie.

Welche drei Eigenschaften sollte man als Stadtkämmerin auf gar keinen Fall mitbringen?

Unzuverlässig und ungeduldig sollte man nicht sein. Und eine Zockerseele dürfen Sie auch nicht sein.

Gehen Sie wenigstens privat ins Casino?

Nein, nie. Ich war einmal in meinem Leben - noch zu meiner Studentenzeit - im Casino in Bad Wiessee. Ich finde das abartig. Mit der Zockermentalität kann ich nichts anfangen. Zumindest was Finanzen angeht, bin ich ein klassisch konservativ denkender Mensch. Ich bin auch Zuhause in Finanzdingen nicht anders als im Beruf.

Das heißt, Sie geben die Verantwortung für die Haushaltskasse auch nicht an Ihren Mann ab?

Richtig ( lacht). Das ist natürlich auch daheim meine Aufgabe. Ich weiß nicht, ob ich die Verantwortung überhaupt gut abgeben könnte. Wir haben das noch nie getestet. Das kriegt man als Kämmerin automatisch zugeschrieben. Mein Mann ist Informatiker. Ich kümmere mich ja auch nicht um unsere EDV-Anlage. Ihre zwölfjährige Tochter, wie viel Taschengeld bekommt die?

Sie bekommt zehn Euro in der Woche. Ich hoffe, wir liegen da im richtigen Limit. Ich glaube auch, Erziehung funktioniert nicht über die ganz strenge Taschengeldkasse. Wichtiger ist, was man den Kindern vorlebt. Man muss das Geld natürlich nicht horten, bis es nichts mehr wert ist. Aber man muss sich erst einmal etwas ansparen. Dann kann man sich auch mal was leisten.

Quasi wie im Berufsleben.

Als Kämmerer will ich am liebsten Geld anlegen, nicht Schulden verwalten. Die Politik ist da ein notwendiges Korrektiv: sie gestaltet lieber. Im Ganzen ist das doch eine ganz gute Konstellation. Politik ohne Verwaltung würde auch nicht funktionieren.

Wie funktioniert es in diesem Jahr? Können wir einen Scoop vermelden, gibt es neue Zahlen?

Bei der Gewerbesteuer liegen wir über Plan. Für 2015 sind wir von 29 Millionen Euro an Gewerbesteuereinnahmen ausgegangen. Die Prognose werden wir übererfüllen. Das trau ich mich sagen. Wenn auch nicht so signifikant wie im Jahr zuvor. Bei den Einnahmen aus Einkommenssteuer liegen wir ebenfalls auf Ergebnis. Eingeplant sind da in etwa 31 Millionen Euro.

Trotzdem haben seit 1945 sieben Oberbürgermeister in Freising einen Gesamtschuldenstand von 95 Millionen Euro aufgetürmt. Wann spricht sich endlich herum, dass Frauen generell besser mit Geld umgehen können?

Ich weiß nicht, ob es in Städten mit Oberbürgermeisterinnen weniger Verschuldung gibt. ( lacht). Die Entscheidung liegt außerdem ganz beim Wähler. Die Frage ist auch falsch. Der Oberbürgermeister hat nun einmal eine ganz andere Aufgabe als der Kämmerer.

© SZ vom 11.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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