Freisings starke Stadtbaumeisterin:"Ich bin zäh"

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Barbara Schelle hat die Federführung bei allen städtebaulichen Fragen. Dabei muss sie auch oft mit Grundeigentümern und der Verwaltung ringen. (Foto: Einfeldt)

Stadtbaumeisterin Barbara Schelle will, dass die boomende Stadt Freising lebenswert bleibt und nicht leichtfertig allein wirtschaftlichen Interessen geopfert wird. Leicht hat sie es in ihrem Job nicht. Das hält sie nicht davon ab, sich durchzusetzen.

Von Eva Zimmerhof, Freising

Barbara Schelle, laut eigener Aussage "gerade mal 50", ist schon viel herumgekommen, hat immer viel gearbeitet. Die Münchener Architektin und Dozentin ist seit eineinhalb Jahren Stadtbaumeisterin in Freising.

Frau Schelle, sind Sie eigentlich Stadtbaurätin oder Stadtbaumeisterin?

Ein Stadtbaurat ist gewählt und hat eine befristete Amtszeit. Ich bin Stadtbaumeisterin, da ist man angestellt oder verbeamtet wie in meinem Fall. Ich habe die Federführung bei städtebaulichen Fragen. Meine Stelle wurde von der Stadtpolitik wieder geschaffen, weil sie erkannt hat, wie wichtig guter Städtebau für die Lebensqualität ist.

Sind Sie auch für die Bauanträge für Flüchtlingsunterkünfte zuständig?

Ja klar, Planungsrecht, Stadtgestalt und soziale Verträglichkeit sind auch bei Flüchtlingsunterkünften zu prüfen. Die Anträge kommen aber von der Stelle, die bauen möchte. In der Regel vom Landratsamt.

Wie geht es mit dem Antrag für eine Unterkunft am Park&Ride-Platz voran?

Der P+R Platz ist nicht im Eigentum der Stadt. Der Platz ist nicht einfach zu erschließen. Nötig sind Wasser, Abwasser, Strom und so weiter. Das verursacht Kosten. Andere Grundstücke sind einfacher, schneller und kostengünstiger zu beplanen. Wenn Baurecht besteht und das Grundstück geeignet ist, kann es schnell gehen.

Sie haben in München studiert und als junge Architektin Berlin nach der Wende mitgestaltet. Warum kamen Sie zurück?

In Berlin habe ich für Hilmer & Sattler gearbeitet. Das Büro hat bei dem städtebaulichen Wettbewerb für den Potsdamer Platz den ersten Platz gemacht. Das war ein Riesending! Dann habe ich meine Tochter bekommen und bin an die TU nach München gegangen. Für die unterrichte ich immer noch Sakralbau - ehrenamtlich. An der Universität schafft man es leichter, Kind und Beruf unter einen Hut zu kriegen.

Und jetzt wohnen Sie in Freising?

Es besteht keine Residenzpflicht bei meiner Arbeit. Aber ich habe mir hier eine Wohnung gekauft. Das war ein Glücksfall. So etwas muss man erst einmal finden. Wenn alles Familiäre geklärt ist, kann man hier sicher gut leben. Freising ist ein bisschen so, wie ich München als Kind erlebt habe.

Sie sehen in Freising ein München, wie es früher war?

Es kann so schnell alles zu dicht werden. In München geht mir ein Stück Heimat verloren. Da kann ein Einzelner kaum noch etwas bewirken. In Freising dagegen erlebt man, dass die Menschen wirklich teilhaben an den Entwicklungen ihrer Stadt. Natürlich kommen auch viele Leute, die Angst vor Umgestaltungen haben.

Das Modell auf Ihrem Tisch: Wird das die Unterführung an der Heiliggeistgasse?

Ja, das ist die Neugestaltung dieser fürchterlichen, im Sinne von viel zu engen und unbequemen, Bahnunterführung. Es wird Rampen, Treppen und einen Aufzug geben - auf beiden Seiten. Mit den Grundstückseigentümern gestaltet sich die Umgestaltung allerdings sehr schwierig. Dabei ist dieser Fuß- und Radwegetunnel einer der Wichtigsten in der Stadt. Er verbindet als Nadelöhr die Innenstadt mit dem großen Stadtteil Lerchenfeld. Das Projekt ist äußerst komplex und auch eine Belastung für mich als Stadtbaumeisterin.

Aber Sie sind doch verbeamtet...?

Die Rahmenbedingungen für meine Arbeit sind schwierig. Ich hatte viele Vorgänger, die nicht lange geblieben sind. Es gilt öffentliche Interessen gegenüber privaten Investoren zu vertreten. Außerdem muss ich die Stadtpolitik überzeugen und mich nicht zuletzt innerhalb der Verwaltung behaupten. Da meine Stelle in der heutigen Form neu geschaffen wurde, muss ich mir meine Position erringen. Das ist nicht immer einfach - aber ich bin zäh.

Erst Berlin in Aufbruchstimmung, dann das beschauliche Freising: Geht Ihnen hier nicht alles zu langsam voran?

Das ist doch gut so! Zu schnelle Entwicklungen sind überhaupt nicht gut. Natürlich ist das Metier nicht einfach. Man ringt mit Grundstückseigentümern um eine gute, verträgliche Lösung, und während die einen Bürger das eine wollen, wollen die anderen das Gegenteil. Vor den Politikern muss man städtebaulich argumentieren und manchmal auch sagen: Das geht gar nicht. Aber es gibt ja ein Baugesetzbuch, nach dem sich alle richten müssen. Und die Erfahrungen: So etwas wie die Hochhäuser an der Mainburger Straße oder die Fassadengestaltung des Schwesternwohnheims wird es nicht noch einmal geben.

Vermissen Sie als Architektin nicht die Möglichkeit, künstlerisch zu gestalten?

Architektur ist doch Baukunst und die Stadtgestaltung ist es genauso. Aber es gibt da das Zitat von dem Architekten Adolf Loos: 'Das Haus hat allen zu gefallen, im Unterschied zum Kunstwerk, das niemandem zu gefallen hat. Das Kunstwerk ist revolutionär, das Haus ist konservativ.' Das 'Haus' kann man dabei auch durch die 'Stadt' ersetzen. Wir sind eben auch Verwalter, denn die Stadt hat allen zu gefallen.

Wie gefällt Ihnen eigentlich das Innenstadtkonzept?

Sehr gut. Die historische Altstadt ist das Herz jeder europäischen Stadt und ein hohes Gut. Sie ist der Kristallisationspunkt, den es zu stärken gilt. Die Innenstadt soll lebendiger, Fußgänger sollten bevorzugt und der öffentliche Nahverkehr gefördert werden, das sind Ziele an denen wir aktuell arbeiten. Neben dem Stadtentwicklungsplan ist das Innenstadtkonzept ein wichtiger Handlungsleitfaden für die Stadt.

Haben Sie das Gefühl Freising zu verstehen?

Ich denke schon. Die Stadt ist ein Organismus, den es zu begreifen gilt. Alles hängt zusammen. Nehmen Sie den Verkehr. Viele Leute beschweren sich über die wenigen Parkplätze in der Innenstadt. Autoverkehr in der engen Innenstadt führt aber dazu, dass Fußgänger und Radler weniger Platz haben und dass Grünflächen überbaut werden. Tiefgaragenabfahrten zerstören das Bild der historischen Gassen. Letztlich sinkt die Lebensqualität durch zu viele Parkplätze. Dabei sind in Freising viele Entfernungen mit dem Rad zu bewältigen. Wenn weniger Leute das Auto nehmen würden, würde das viele Probleme lösen.

Was würden Sie gerne verändern?

Wünschen würde ich mir für Freising: qualitätsvollen Wohnungsbau und mehr Genossenschaften. Wichtig ist mir auch die Campusentwicklung. Stadt und Hochschule müssen besser verschmelzen. Daneben muss der Umgang mit der historischen Stadt sensibler werden. Die Altstadt und andere wunderschöne Bereiche, wie zum Beispiel die Gründerzeitquartiere machen Freising unverwechselbar. Diese Viertel gilt es zu erhalten. Mit dem Wort "Verändern" muss man ohnehin aufpassen. Denken Sie an wichtige Grünflächen in der Stadt, wie die grünen Hänge oder viele Privatgärten. Auch außerhalb der Stadt brauchen wir dringend Natur- und Erholungsbereiche, wie etwa das Freisinger Moos oder den ehemaligen Standortübungsplatz Pettenbrunn. Wie müssen aufpassen, dass diese Qualitäten im boomenden Freising nicht leichtfertig wirtschaftlichen Interessen geopfert werden. Für alle diese Aufgaben braucht Freising eine starke Stadtbaumeisterin.

© SZ vom 13.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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